Review: The Lone Ranger
30% bei Rotten Tomatoes und trotz gigantischer Produktionskosten ein Flop an den Kinokassen: Disney fährt das Remake von „The Lone Ranger“ mit Anlauf gegen die Wand. Doch ist der Film tatsächlich so schlecht wie sein Ruf?
Das hat man sich in Entenhausen wohl ganz anders vorgestellt. 250 Millionen Dollar in den Film gesteckt, Johnny Depp für die Hauptrolle besetzt, den „Fluch der Karibik“-Regisseur auf den Regiestuhl gesetzt und Jerry Bruckheimer mit der Produktion beauftragt. Eine Formel, an deren Ende eigentlich ein Betrag stehen sollte, der weit über den investierten 250 Millionen liegt. Stattdessen in den Staaten Einnahmen von knapp 90 Millionen Dollar. Bis zum jetzigen Zeitpunkt konnten die Kosten noch nicht einmal mit dem weltweiten Einspielergebnis gedeckt werden. Dazu kommen vernichtende Kritiken, die zwischen Schadenfreude und Verachtung pendeln. Ui, ui, ui, Disney laufen die Mäuse davon!
Jack Sparrow im Wilden Westen
„The Lone Ranger“ basiert auf der gleichnamigen US-Fernsehserie mit Clayton Moore, die zwischen 1949 und 1957 auf ABC ausgestrahlt wurde. Wie die Western-Show erzählt auch der Film vom Anwalt John Reid, der zum Lone Ranger wird und gemeinsam mit seinem Winnetou-Homie Tonto Abenteuer im noch nicht „zivilisierten“ Teil der USA besteht. In der Neuauflage wird John „The Lone Ranger“ Reid von Armie Hammer (bekannt aus „The Social Network“) und Indianer Tonto von Johnny Depp verkörpert. Eine vermeintlich todsichere Kombination. Hammer bringt den US-amerikanischen Strahlemann-Charme eines High-School-Quarterbacks mit und Johnny Depp übersetzt seine beliebte Rolle als Jack Sparrow in den Wilden Westen. Für sich genommen werden beide Figuren auch großartig dargestellt. Im Zusammenspiel fehlt jedoch die klassische Rollenverteilung eines großen Kino-Duos. Da beide Protagonisten ähnlich humoristisch angelegt wurden, weiß man nie, wer denn nun der Sidekick von wem ist. Die Starpower eines Depps kommt da nur noch erschwerend hinzu und lässt der eigentlichen Hauptrolle des Lone Rangers wenig Platz zum Scheinen.
Der restliche Cast wurde – einer derartig aufwändigen Produktion entsprechend – risikoarm von Regisseur Gore Verbinski in Szene gesetzt, der in der Vergangenheit mit Kassenschlagern wie „Rango“ oder „The Ring“ Hollywood-Vertrauenspunkte sammeln konnte. So spielt William Fichtner mit Butch Cavendish einen Wildwest-Gesetzesbrecher, wie man ihn aus jedem zweiten Italo-Western kennt. Ruth Wilson stellt die taffe Rebecca Reid dar, die sich als frischgebackene Witwe in einem männerdominierten Umfeld durchzuschlagen weiß. Und Tom Wilkinson kann nach 40 Jahren Berufserfahrung eine Rolle wie die des durchtriebenen Latham Cole im Schlaf herunterrattern. Bei so viel Routine und vorhersehbarem Einsatz von Können, verkommt die eigentliche Handlung ziemlich schnell zur Makulatur. Böser Mann tötet Bruder, vermeintlich ungleiches Paar schließt sich daraufhin widerwillig zusammen und tritt dem Gegenspieler in den Hintern. Im Westen also nichts Neues.
Nach 25 Minuten geht’s bergab
Doch was ist denn nun mit den vernichtenden, ja beinahe schadenfrohen Kritiken? „The Lone Ranger“ ist längst nicht so schlecht, wie er vielerorts dargestellt wird. Die ersten 25 Minuten sind sogar richtig gut. Sie haben die perfekte Geschwindigkeit, bauen Atmosphäre und Spannung auf, sind witzig, bieten imposante Bilder und können mit einer einwandfreien Portion Action aufwarten. Danach geht es jedoch bergab wie beim Schlittenfahren. Die Figuren bekommen vermeintliche Tiefgründigkeit verpasst, der Handlungsbogen wird wirr und der komplette Film langatmig. „The Lone Ranger“ fordert geschlagene 149 Minuten Aufmerksamkeit, es hätten für diesen Film aber auch locker 100 gereicht.
Der Film zieht sich unnötig, plätschert geradezu vor sich hin. Ihn neben dem Bügeln oder Abwaschen laufen zu lassen, wäre theoretisch kein Problem. Darüber hinaus kann sich „The Lone Ranger“ nicht wirklich entscheiden, was er denn nun sein möchte. Seichte Familienunterhaltung oder ein Abenteuerfilm mit expliziten Gewaltdarstellungen?! Zu viel von allem vermischt zu einem Brei voller Action, Witz, Liebesgeschichte, Handlungssträngen und Westernelementen. Ab einem gewissen Zeitpunkt verliert man die Lust daran, mitzukommen.
Genug von Remakes und Blockbustern
Doch warum jetzt dieser Flop? Es gab schon genügend Sommer-Blockbuster, die auch nicht mehr als ein paar schick anzusehende Special Effects und Hauptdarstellerinnen in knappen Outfits hatten, aber trotzdem nicht Budgets in der Höhe des Bruttoinlandsprodukt von Mikronesien verschleuderten. Vielleicht hat die Zielgruppe einfach genug von Remakes und hochbudgetierten Blockbustern?! Auf der anderen Seite war „The Lone Ranger“ nun beileibe nicht schlechter als der dritte Teil von „Fluch der Karibik“. IGN brachte es auf den Punkt: “Trotz seiner vielen Schwächen ist ‚The Lone Ranger‘ recht unterhaltsames Popcorn-Kino, leider aber auch nicht mehr.“
„The Lone Ranger“ ist definitiv kein Rohrkrepierer, der zwischen Vor- und Abspann zur Gähnorgie einlädt. „Still, it’s not as bad as you’ve heard“, schrieb die Irish Times erfrischend positiv. Denn vielen Kritikern macht das Gemecker manchmal vielleicht einfach mehr Spaß als der eigentliche Film. „The Lone Ranger“ könnt ihr euch ohne Bedenken anschauen. Für 8 Euro bekommt ihr das, was ihr erwartet: Einen verhältnismäßig anspruchslosen Film mit okayem Humor, viel Action und natürlich Indianern.
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