102 Boyz live: „Jugendliche – es gibt sie noch!“
24.3.2018 - München, Muffatwerk Ampere
Unsere Autoren Benni und Stefan wagten sich auf ein Konzert der 102 Boyz. Dabei steigerten sie nicht nur den Altersdurchschnitt, sie brachten auch zwei Erfahrungsberichte mit, die zeigen, dass die Jugend von heute besser denn je ist.
Während Prinz Pi am 24. März 2018 in der großen Halle des Münchner Muffatwerks eine ausverkaufte Show spielte, bewiesen die 102 Boyz im kleineren Muffatwerk Ampere, dass sich ihr Internet-Hype bald zu ähnlichem Starstatus entwickeln könnte. Neben dem kostenlosen Mixtape „Broke Youngstas“ und einer Handvoll Musikvideos, die Klickzahlen im sechsstelligen Bereich erreichten, machten sich die Ostfriesen dank polnischer Features auch über die deutschen Landesgrenzen hinaus einen Namen.
Unsere Autoren Benni und Stefan haben sich trotz Geburtsjahrgängen, die in den achtziger Jahren liegen, noch einmal aufgemacht, um zu prüfen, weshalb die heutige Jugend von den Niedersachsen so begeistert ist. Mitgebracht haben sie zwei Erfahrungsberichte, die ein Bild von jungen Menschen zeichnen, die offensichtlich mehr Spaß haben als die Autoren in ihrer Sturm-und-Drang-Zeit.
Stefan sagt: „Sowas hätte ich mir damals auch gewünscht!“
Ich finde deutschsprachigen Rap so geil wie noch nie, denn er ist vielseitiger denn je! Klar, Straßenpoeten, die sich von Hustensaft ernähren, sind gefühlt in der Überzahl, doch wer genauer hinhört, wird auch für seinen Geschmack etwas finden. Denn im Jahre 2018 dürfen alle alles. Die heute 40-Jährigen machen noch immer erfolgreich Battle-Rap wie um die Jahrtausendwende, die ewigen Echthalter hauen staubtrockenen Boombap raus und die Conscious-Abteilung liefert Soundtracks für Demos und Bierzelte. Und ob das noch Rap oder schon Gesang ist, interessiert exakt niemanden mehr, solange es knallt.
Die 102 Boyz aus dem ostfriesischen Leer bedienen ihre eigene Sparte. Gelangweilt von der norddeutschen Provinz haben die Jungs mit ihrem Zeltplatz-Trap Anhänger bis in die Metropolen des Landes gefunden. Dass Fruchtmax bei ihrem Konzert im Münchner Muffatwerk für einen Gastvers vorbeischaute, freute die rund 80 feierwütigen Jugendlichen zwar, überraschte sie daher aber auch nicht. Am Ende war es sowieso egal, wer ins Mikrofon brüllte. Der 102 Boy, der statt die nächste Zeile zu rappen lieber einen Schluck aus der Bierflasche nehmen wollte, konnte sich auf die textsicheren Fans und das Halb-Playback verlassen.
Es ging nicht darum, den Rappern bei einer sauberen Live-Performance zu lauschen. Springen, brüllen, Bier herumspritzen – so einfach war es stattdessen. Wir haben damals den Arm gehoben und im Takt bewegt. Diese Zeiten sind zum Glück vorbei. Endlich kitzelt Rap etwas aus den Menschen heraus, was ich mir in meiner Jugend gewünscht hätte: Party als wären wir auf einem Rockkonzert. Die Münchner sahen es an diesem Abend ähnlich. Friedlich ließen sie ihre Aggressionen auf einer Rap-Show heraus. Und ob die 102 Boyz von „Riskanten Geschäften“ rappten, spielte dabei keine Rolle. Denn den „Arschficksong“ haben wir damals auch mitgerappt, ohne entsprechende Erfahrungen vorweisen zu können.
Benni sagt: „Jugendliche – es gibt sie noch!“
Sie trinken noch immer mehr als sie sollten und feiern härter als ich das mit meinen dreißig Jahren kann. Am 24. März 2018 waren „Leer’s finest“, die 102 Boyz, im Münchner Ampere zu Gast und zeigten, dass Hip-Hop, Alkohol und Testosteron ein hochexplosives Gemisch ergeben. Die Gäste wie auch die Musiker, um die zwanzig Jahre alt, gaben konstant Vollgas. Sei es im Pit vor der Bühne, der auch auf einem Hardcore-Punk-Konzert funktioniert hätte, oder auf der Bühne, von der aus massig hopfenhaltige Kaltgetränke verschüttet wurden.
Es war schön mitanzusehen, dass die Jungs aus Ostfriesland voll im Moment waren und sich selbst ordentlich feierten. Da waren die stillen Pausen zwischen den Liedern und ein Problem mit dem Master-Volume-Knopf des DJs zu verschmerzen. Wäre ich ein Booker, würde ich die Jungs als Vorgruppe der 187 Strassenbande buchen. Wohlwissend um den schlechten Einfluss ihrer mutmaßlichen Vorbilder.
Die 102 Boyz vernichteten auf der Bühne so viel Bier, dass während des Konzertes Leergut vom DJ-Pult entfernt werden musste. Die Securitys waren regelrechte Drogenspürhunde und entfernten mindestens einen Besucher wegen seiner verdächtig duftenden Zigarette. Als die vermutlich ältesten Besucher des Konzerts durften wir noch einmal „Teenage Spirit“ atmen, unbeholfenen Jungs beim Baggern zusehen und mit Ohrwürmern nach Hause laufen.
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