Review: Cro – Raop
Spätestens seit der Bekanntgabe der Chart-Platzierung von „Raop“ ist es wohl endgültig offiziell: Cro ist das neue Gesicht in Deutschlands Showbusiness. Längst keiner mehr, der exklusiv für die Rap-Szene Battle-Texte kickt. Der Pandamaskenträger ist im Feuilleton angekommen. Von Hamburg bis Stuttgart spricht man über Carlo und diese fast schon naive Leichtfüßigkeit in seinen Songs, mit der er die Radiostationen des Landes im Sturm eingenommen hat. Und das stets mit von ihm selbst produzierten Beats und Raps wohlgemerkt.
Und sind wir doch einmal ehrlich: Irgendwie sind wir froh, dass Cro eine Maske trägt. Dieser gesichtslose Künstler, der in einem Dutzend Interviews genau zwei spannende Sätze sagt, wäre nur noch halb so interessant, würden wir ihn so sehen, wie er höchstwahrscheinlich ist. Jung, milchbubig und noch ein kleines Stückchen unreif. Stattdessen haben wir diesen rappenden Teletubby vor uns, der tierisch Spaß macht, niemandem wirklich wehtut und genug Raum für eine ausgeprägte Vorstellungskraft lässt.
„Raop“ nennt sich der vorläufige Label- und Künstlerhöhepunkt. Das Mischwort aus „Rap“ und „Pop“ ist nach den Mixtapes „Trash“, „Meine Musik“ und „Easy“ Cros (erstes richtiges) Hallo in der Musikwelt. Wegen zu teurem Clearing ohne Bravo-Hits-Samples und offiziell bei Amazon zu haben. Zu Beginn beweist Cro auf „Raop“ erst einmal, dass er hier ist, weil er tatsächlich rappen kann. Erfolgsdruck und den Neid anderer musiziert er schon im „Intro“ mit einem anständigen Flow und entsprechend selbstbewussten Zeilen wie „Keiner von euch kann sich vorstellen, was wohl wär, hätt er sich angestrengt“ souverän unter den Teppich.
Der Rest ist das, was sich Freunde des „Easy“-Mixtapes gewünscht haben. Ohrwurm an Ohrwurm gereiht, klingt „Raop“ wie die Musik für das erste und vielleicht auch noch zweite Fest im Partykeller der Eltern. Um 20 Uhr nicken die Jungs ganz cool mit den Köpfen zu „Meine Zeit“, um 21 Uhr wird die Biertischgarnitur tanzend zu „Wir waren hier“ zum Einsturz gebracht, um 22 Uhr beschwipst durch Alkopops zu „Du“ mit der Jahrgangsschönheit geknutscht und um 23 Uhr mit „Jeder Tag“ über die von Erziehungsberechtigten und Lehrern auferlegten Regeln geflucht. Eine gute Party. Haben wir früher auch schon alle so oder so ähnlich erlebt.
Wäre ich zehn Jahre jünger, wäre „Raop“ ohne Frage mein Sommersoundtrack. Ob mich Cros Musik mit Ende Zwanzig immer noch berühren kann, ist jedoch fraglich. Denn für Cro ist der letzte Schultag oder die Entjungferung noch im Kopf präsent. Für ihn sind diese Dinge womöglich gerade erst passiert. Manch andere leben mittlerweile mit einer beruflich aufgezwungen Ernsthaftigkeit, an der man ab einem gewissen Lebensabschnitt leider nicht vorbei kommt. Das bedeutet allerdings nicht, dass „Raop“ nichts für solche Leute wäre. Im Gegenteil. „Raop“ ist gerade für die Generation 25+ ein kleiner Ausflug zurück in die Jugend.
Cro muss man nicht mögen, aber man sollte verstehen, warum das, was er macht auf jeden Fall eine Daseinsberechtigung hat. Von null auf die eins in den Albumcharts ist eine Leistung, die nur einer Handvoll an Rappern im Jahr gelingt. Cro hat sie erbracht und unterstreicht es, indem er auch noch in der zweiten Veröffentlichungswoche die Pole Position hält. Gut für ihn, aber sicherlich auch für sein Label Chimperator, das nach dreizehn harten Geschäftsjahren endlich die Lorbeeren ernten kann.
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