Die stärksten Momente auf „Ich vs. Wir“ von Kettcar
Kettcar haben eine Platte aufgenommen, die eine Bundestagswahl zu spät erschienen ist. Das sind die stärksten Momente auf „Ich vs. Wir“!
Am 13. Oktober erschien mit „Ich vs. Wir“ das fünfte Studioalbum von Kettcar. Und wo es auf den Vorgängerplatten hauptsächlich um das persönliche Befinden ging, gehen die Hamburger nun einen Schritt weiter. Sie benennen gesellschaftliche Missstände und machen „Ich vs. Wir“ damit zu ihrem politischsten Album. Helena Düll vom Rolling Stone brachte es in ihrer Review auf den Punkt: „Ob man ihren robusten Gitarrenpop mag oder nicht, eines muss man ihnen lassen: Sie trauen sich, den Mund aufzumachen.“ „Ich vs. Wir“ hat viele Augenblicke, in denen deutlich Stellung bezogen und hinter die Fassaden gesehen wird. Wir haben, die fünf stärksten Momente herausgefiltert.
Für Sekunden unsere Leute
Ein Album könnte nicht destruktiver starten. Statt den Hörer mit einem guten Gefühl in Empfang zu nehmen, sprechen die beiden Protagonisten in „Ankunftshalle“ von Selbstmord, der endlich mal in Angriff genommen werden sollte. Doch der Song bricht auf. Gestärkt von Magnum Mandel und irgendetwas mit Cola erkennen die Hauptfiguren, dass die Menschen gar nicht so schlimm sind.
Irgendwann ist Wohlfühlmist
Aus Worten werden Taten und aus einem Faustschlag zwölf Monate. Wiebusch erzählt in „Benzin und Kartoffelchips“ die Geschichte eines jugendlichen Straftäters, der begreift, dass er sich selbst die Zeit genommen hat. Noch ein letztes Mal vor Haftantritt möchte er das Meer sehen und rast mit Friedrich und zwei anderen Kumpels durch die Nacht. Denn es muss unbedingt jetzt sein: „Irgendwann ist immer nur ein anderes Wort für nie!“
Der Typ, der Löcher in den Zaun schnitt
Am 12. August 1989 machte sich die Hauptfigur in „Sommer ‘89“ von Hamburg aus auf, um DDR-Bürgern bei der Flucht zu helfen. Eine Aktion, die laut den Freunden des Helden menschlich verständlich, aber trotzdem falsch ist. Gänsehaut kommt auf, wenn er mit der flachen Hand auf die Tischplatte schlägt und seine Diskussionsgegner „so leise, wie es ihm grad noch möglich ist“ in die Schranken weist: „Ihr wisst, dass das Schwachsinn ist!“
Nächster Halt: Klischeehölle Mitte
Wer den morgendlichen Pendelverkehr kennt, kennt auch die faszinierenden Menschen, die diesen nutzen – zumindest auf den zweiten Blick faszinierend. Wiebusch beschreibt in „Trostbrücke Süd“, was um 6 Uhr in der Früh im Bus Richtung Endstation Niedergang zu sehen ist: Der Typ mit der Sicherheitsweste, der sich im Jahr des Weltuntergangs geirrt hat, der Mann mit der Aktentasche, der nicht ins Büro, sondern zum Entenfüttern in den Park fährt und die geschundenen Jugendlichen, die mit Stöpseln in den Ohren gemeinsam Musik hören. Und wenn der Bus sein Ziel erreicht, der Fahrer alle bittet auszusteigen, stellt sich der Erzähler mit diesen Menschen auf die Sitze und singt: „Wenn du das Radio ausmachst, wird die Scheißmusik auch nicht besser!“
Keine einfache Lösung haben, ist keine Schwäche
Im letzten Song „Den Revolver entsichern“ wechselt Wiebusch die Perspektive. Er erzählt nicht aus der Sicht von fiktiven Protagonisten, sondern aus seiner eigenen, um den Hörer noch einmal klipp und klar die Botschaft von „Ich vs. Wir“ zu vermitteln. Es geht darum Engagement für die gute Sache zu zeigen. Die letzten Zeilen des Albums werden dann auch fast a cappella gesungen: „Ich erklär’ meinen Kindern, was ein guter Mensch ist / Mit Sätzen die heutzutage sonderbar klingen…!“
Kommentar hinterlassen