Review: Eurovision Song Contest 2012

 

Alle Jahre wieder trifft sich ganz Europa und das, was an diesem Abend auch mal Europa sein darf, um einen Musikwettbewerb auszutragen, der von vielen belächelt und von noch vielen mehr geliebt wird: Der Eurovision Song Contest. Dank dem letztjährigen Sieg von Ell & Nikki in Düsseldorf fand der musikalische Wettkampf gestern Abend im aserbaidschanischen Baku statt.

 

Unter dem Motto „Light your fire!“ nahmen an der Finalrunde des 57. Eurovision Song Contest 26 Nationen teil. Knapp 20.000 Menschen in der extra für diesen Event gebauten Baku Crystal Hall und 120 Millionen vor den Bildschirmen daheim sahen zu, wie eine durch und durch auf professionell getrimmte und vor allem pompöse Show über die Bühne ging. Mit einem bombastischen Feuerwerk über der Halle und einer anschließenden Choreografie samt Ell-&-Nikki-Performance wurde die Veranstaltung gebührend eingeleitet. Halbe Sachen können andere machen.

 

Moderiert von Nargiz Birk-Petersen, Leyla Aliyeva und 50% der Vorjahressieger Eldar Qasımov zeigte sich Aserbaidschan von seiner glamourösesten Seite. Mit dem ESC wurde ordentlich Werbung für ein Land gemacht, das immer wieder in der Kritik von Menschenrechtsorganisationen stand. Eben diese Kritik, die einher ging mit Berichten über eingeschränkte Pressefreiheit, verlieh der Veranstaltung schon im Vorfeld einen faden Beigeschmack. Da muss ein Niels Ruf während der Übertragung nicht erst twittern: „Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Aserbaidschan auf Platz 152, hinter Ländern wie Irak oder Afghanistan.“

 

Zwischen Powerballaden und Ibiza-Party-Sound

 

Doch wie war die Musik letztendlich? Zwischen all den Powerballaden, dem Ibiza-Party-Sound und dem „Ohohohoh“- und „Lalalala“-Geträller war es nicht einfach, sich seine Highlights herauszupicken. Engelbert Humperdinck machte mit seinem Schmalzsong „Love Will Set You Free“ für Großbritannien die Höschen so mancher Omas feucht. Donny Montell aka Geordi La Forge aus Litauen präsentierte sich als unsympathisches Tanzbärchen. Die Französin Anggun machte mit „Echo (You And I)“ egalen Pop für die Großraumdisko. Nina Zilli aus Italien präsentierte sich als Amy-Winehouse-Lookalike. Und Balkan-Legende Željko Joksimović setzte auf geigengeschwängerten Pathos.

 

Und dann – an der zwanzigsten Stelle – kam Deutschlands Vertreter Roman Lob mit seinem Song „Standing Still“. Das unter anderem von Jamie Cullum geschriebene Stück sollte für sich stehen, weshalb auf optischen Schnickschnack komplett verzichtet wurde. „Auf diesen Auftritt können wir echt stolz sein“, verkündete ARD-Kommentator Peter Urban nach dem letzten Ton.  Und irgendwie hatte man auch das Gefühl, dass dieser Auftritt in seiner Bescheidenheit Stil bewiesen hat. Unpeinlich und nett. Es hat sich gut angefühlt.

 

Wofür Deutschland in der Vergangenheit durch Beiträge von Stefan Raab oder Guildo Horn bekannt war, wurde dieses Jahr von anderen Ländern perfektioniert. „Kuriositäten“ war das Schlagwort, das in den Vorberichterstattungen immer wieder fiel. Abstrakte Songs, wilde Bühnenshows und verrückte Outfits fanden sich bei erstaunlich vielen Teilnehmern des Finales und der beiden Halbfinales. Rona Nishliu aus Albanien trug das Kleid für einen Fantasyfilm, der noch gedreht werden muss. Buranowskije Babuschki aus Russland gingen auf großen Rentnerausflug, feierten dabei für alle und trafen keinen Ton. Und Jedward kehrten ohne Haarspray dafür aber mit einer ordentlichen Portion Bubblegum-Pop zurück.

 

Ernüchterung für Roman Lob

 

Nachdem Emin Ağalarov, der Schwiegersohn des aserbaidschanischen Präsidenten İlham Əliyev, die Pause mit einer Show füllte, die an ekligem Gigantismus nicht zu übertreffen war, ging die traditionelle Punktevergabe los. Der eigentliche Höhepunkt der Veranstaltung war nicht ganz der Krimi, den man vielleicht erwartet hatte. Das Endergebnis kristallisierte sich relativ schnell heraus. Für Roman Lob fielen die Wertungen dabei ernüchternd aus. Der Sieg war zwar nicht drin, doch mit einem recht glücklichen achten Platz kann die deutsche Delegation trotzdem zufrieden sein. Das Rennen gemacht haben stattdessen an dritter Stelle Serbien, auf dem zweiten Platz Russland und – relativ eindeutig mit einem Abstand von 113 Punkten zum Zweitplatzierten – die schwedische Teilnehmerin Loreen mit ihrem Song „Euphoria“.

 

So weit östlich fand der ESC in seiner Geschichte noch nie statt. Aserbaidschan versuchte die Aufmerksamkeit zu nutzen und protzte mit einer zum Tourismuswerbevideo gewordenen Musikveranstaltung. Doch am Ende des Tages sind glitzernde Effekte, Imagemache und all die Kritik, die im Vorfeld geäußert wurde, einerlei. Denn beim Eurovision Song Contest sollte eigentlich die Musik im Vordergrund stehen. Per se keine schlechte Idee. Doch was soll man machen, wenn die mal wieder, na ja, eher harmlos war? Einfach egal? Unwichtig? Morgen vergessen? Wir sehen uns 2013 trotzdem in Stockholm wieder!

1 Comments

  1. Starke Schlussworte, on-point möchte ich sagen!!!
    Es ist genauso wahr wie schade!

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  1. 2012 – Der große Jahresrückblick – like it is '93 // das Popkultur-Magazin

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