Geschichten aus dem Schulsport – Teil 1: Dicke Kinder

der Schlachtplatz für unsportliche Kinder: die schuleigene Tartanbahn

Dicke Kinder beim Sprinten, Nichtschwimmer im Schwimmerbecken und das Mannschaftswählen aka der Popularitätswettbewerb – Schulsport ist Horror. In der Reihe „Geschichten aus dem Schulsport“ berichten wir über den Wahnsinn in deutschen Turnhallen.

 

Es gibt wenige Erinnerungen, die so sehr verklärt werden, wie die an die Schulzeit. Schnell wird vergessen, dass man nicht immer die coolste Sau auf dem Schulhof war, mit der einen oder anderen Naturwissenschaft hart zu kämpfen und überhaupt von Tuten und Blasen keine Ahnung hatte. „Die Schulzeit ist vorüber; nun heißt’s lernen!“, lautet es in einem aus dem Kontext gerissenen Zitat von Musiker und Journalist Otto Weiss. Und da ist etwas dran, denn wirklich gescheit geht die Mehrheit nicht aus der Schule heraus.

 

Doch wo einstige Geodreieck- und Zirkelnutzer oft erst nach der Schulzeit geistig riesige Sprünge machen, bauen sie körperlich häufig ab. Zweimal die Woche vom selbst nicht mehr ganz fitten Sportlehrer über den Tartanplatz gejagt zu werden, schadet dem Körper eben doch nicht so sehr. Nach einer Doppelstunde Sport verschwitzt im Physikhörsaal zu sitzen, fühlte sich dennoch selten gut an. Schulsport ist in der Theorie eine feine Sache, die im Bildungsplan einen berechtigten Platz hat. Die Umsetzung lässt aber leider oft zu wünschen übrig.

 

Aus Herumtoben wird koordiniertes Sportmachen

 

Zwölf Schuljahre lang habe ich mich durch dutzende Disziplinen gequält. Meine Leistungen wurden mit Noten zwischen Vier und Eins bewertet. Manche Sportarten habe ich schon nach einem Versuch gemeistert, manche kosteten mich Überwindung und ließen mir bei Versagen die Schamesröte ins Gesicht schießen. Sportunterricht war der verlängerte Arm des Schulhofes, auf dem die coolen Kids über die uncoolen Kids herziehen konnten. Popularität wurde mit der Wahlprozedur vor dem Völkerballspiel bestätigt und mit der Note im Basketball manifestiert.

 

Alles beginnt in der Grundschule, wo aus Herumtoben koordiniertes Sportmachen wird. Fangen spielen, Weichbodenmattenrutschen und die ersten Erfahrungen mit der Leichtathletik. Wer die 50 Meter in unter 8,5 Sekunden schafft, darf bei der nächsten Party neben dem Geburtstagskind sitzen. Grundschule bedeutete aber auch Schwimmunterricht. Eine eigentlich spaßige Angelegenheit, die wir dank Schwimmbecken in unserer Sporthalle ohne langes Pendeln genießen konnten. Schwimmen lernen musste jedoch schnell passieren, damit wir auch in den tiefen Bereich des Beckens durften.

 

Marmeladenbrot > Bewegung

 

Mit meinen Ergebnissen im Grundschulsport war ich zufrieden. Ich gehörte zwar nie zu den Besten, die sich auch in ihren Fußballvereinen fleißig für die Bezirks- und Landesauswahlen bewarben, lief den „Draußen-Spiel-Muffeln“ aber ohne Probleme davon. In den Sommerferien zwischen der vierten Klasse und dem Wechsel auf die weiterführende Schule änderte sich dies. Ich frönte dem Marmeladentoastbrot und verbrachte Tage vor dem Fernseher. Das Ergebnis: Meine Zeit auf dem Gymnasium startete ich mit einem ordentlichen Übergewicht.

 

Meine erste Sportstunde war so schrecklich wie das Sprudelholen aus dem Keller, nachdem ich das erste Mal „Blair Witch Project“ gesehen hatte. Unsere hochmotivierte Lehrerin wollte einen Eindruck von den Leistungen ihrer neuen Schützlinge gewinnen. Sie teilte hierfür wahllos Paare ein, die gegeneinander rennen sollten. Ob Mädchen oder Junge, ob groß oder klein, ob dünn oder dick spielte dabei keine Rolle. Sie mischte wild durch. Ich musste gegen das weibliche Leichtathletiktalent unserer Klasse antreten und wurde entsprechend deklassiert. Einstand geglückt!

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