Geschichten aus dem Schulsport – Teil 4: Die Umkleidekabine
Dicke Kinder beim Sprinten, Nichtschwimmer im Schwimmerbecken und das Mannschaftswählen aka der Popularitätswettbewerb – Schulsport ist Horror. In der Reihe „Geschichten aus dem Schulsport“ berichten wir über den Wahnsinn in deutschen Turnhallen.
Pubertierende sind besonders eitle Exemplare des Menschenvolkes: Mit den Eltern gesehen werden ist peinlich. Markenklamotten sind auf einmal wichtig. Und die individuelle Coolness ist unabdingbar, obwohl aus der Masse herauszustechen wiederum unangenehm ist. Auf einem fortwährenden Balanceakt zwischen Geil- und Unsicherheit poltern sich Millionen Schüler durch die Klassenzimmer des Landes. Die Geschlechtsreifung ist ein komplexer Vorgang, in der die lieben Kleinen zu ekligen Pickelträgern auf einem nicht enden wollenden Onaniemarathon werden. Und an welchem Ort lässt sich das vermeintliche Erwachsenwerden besser zur Schau stellen als in der Umkleidekabine? 20 mit Stolpersteinen gepflasterte Quadratmeter, auf denen Jungs zu Männern werden.
Haare haben oder nicht haben – DAS ist hier die Frage!
Körperliche Veränderungen macht in der Pubertät jeder durch. Zwischen dem zehnten und 21. Lebensjahr wachsen Haare, Brüste und Dinge, die auf den ersten Blick nicht zu erkennen sind. Nach und vor dem Schulsport haben Schüler in der Umkleidekabine eine der wenigen Möglichkeiten, sich über den körperlichen Fortschritt ihrer Klassenkameraden genauer zu informieren. Hat Uwe aus der 8B jetzt schon Brusthaare? Krass! Wie sehen denn die Brustwarzen von Timo aus der 9C aus? Eklig! Schüler, die mit der Entwicklung ihres Körpers nicht zufrieden sind, ziehen sich in komplizierten Bewegungsabläufen um, damit die fiesen Klassenkameraden keinen Blick auf den schwabbeligen Bauch erhaschen können.
Ab der achten Klasse hatte ich mit einem ganz anderen Problem zu kämpfen, das mich dazu zwang, auf die Nutzung von kurzen Hosen zu verzichten: Meine nicht vorhandene Beinbehaarung. Nach dem Hinweis einer Klassenkameradin, dass ich ja gar keine Haare an den Schienbeinen hätte, versank ich im Boden. Cool von hier bis zum Mond, aber angreifbar sobald ein derartiger Kommentar fällt. Willkommen in der Hochphase meiner Pubertät. Die sowieso schon überschaubare Sportklamottenauswahl beschränkte sich damit auf zwei lange Hosen. Aufbewahrt wurden die Sportsachen samt Schuhwerk von Montag bis Freitag im Schulschließfach. Dass die Klamotten irgendwann nicht mehr so frisch rochen, war egal.
Ist das der Drogeriemarkt oder eine Umkleide?
Um das Problem mit den stinkenden Sportklamotten zu lösen, entdeckten wir jungen Hüpfer irgendwann das Deodorant für uns. Selbstbewusst sprühten den kompletten Körper ein, als wäre es Sonnenmilch. Peinlicher als die Typen, die Deo-Roller genutzt haben, waren nur die, die den Absprung auf Boxer-Shorts nicht schafften. Dass die meisten meiner Mitschüler nicht ihre Körper deodorierten, sondern ihre Klamotten, war dem bereits erwähnten Aufbewahrungsproblem der Sportsachen geschuldet. Und umso mehr Deo verwendet wird, umso weniger stinken die Textilien. Ist doch logisch. Wer benutzt schon Waschmaschinen. Außerdem stört der Turnbeutel am Fahrradlenker nur. Die Klamotten bleiben, wo sie auch getragen werden.
Das Deodorant hat den Sprung ins echte Erwachsenenleben geschafft und wird tagtäglich auf den behaarten Körper gesprüht. Aber zumindest was die sportliche Leistung betrifft, konnte ich etwas umkrempeln und ab der Mitte meiner Pubertät größere Triumphe feiern. Privates Jogging und Karatetraining sei Dank, entwickelte ich mich ab meinem 14. Lebensjahr unverhofft doch noch zur Sportskanone. Und da passt ein Zitat von Elizabeth Taylor, das den Kreis zum Körperpflegemittel schließt: „Erfolg ist ein großartiges Deodorant. Es entfernt alle Gerüche der Vergangenheit.“ Hätten wir Halbstarken das damals schon gewusst, wären wir etwas entspannter gewesen und die Umkleidekabine hätte nicht wie die Drogerieabteilung des Müller Markts gerochen.
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