Review: Green Lantern – Der Abtrünnige
Hal Jordan – der berühmteste aller Green Lantern – ist mit einer neuen Sonderbandreihe auf den deutschen Comicmarkt zurückkehrt. Und diesmal ist alles anders: In „Der Abtrünnige“ wechselt er die Seiten und wird vom Verfolger zum Verfolgten.
In der Wahrnehmung der breiten Öffentlichkeit hat Green Lantern schon deutlich bessere Zeiten gesehen. Nach dem Filmdebakel von 2011, in dem Ryan Reynolds einen Superhelden spielt, der sich durch einen 0815-Genre-Streifen quält, den man so auch in den Neunziger Jahren gedreht hätte, wurde die grüne Laterne nicht einmal für die 2017 anstehende Justice-League-Verfilmung berücksichtigt. Nun hat sich die Comicleserschaft selten von dem beeinflussen lassen, was da in den großen Lichtspielhäusern der Welt passiert und treu an alten Helden festgehalten. Hier ein Reboot, dort ein Neustart – in der Comicwelt ist alles möglich und wenn etwas nicht funktioniert, wird es über den Haufen geworfen und neu angegangen. Im Mittelpunkt standen schon immer spannende Charaktere, die Geschichten erleben, bei denen man von Cliffhanger zu Cliffhanger mitfiebert. Alles andere sind Eitelkeiten, auf die Comicleser keine Lust haben.
Statt Ring trägt man Handschuh
Hal Jordan – der berühmteste aller Ringträger – hat nun eine neue deutschsprachige Sonderbandreihe erhalten, die seit dem 19. April über den Panini Verlag erscheint. Ausgabe 1 mit dem Titel „Der Abtrünnige“ fasst die Ereignisse zusammen, die in den USA zwischen Juli und November des vergangenen Jahres in den Green-Lantern-Ausgaben 41 bis 44 vonstattengingen. Durch Intrigen und Prellereien wurde das Vertrauen in das Corps zerschmettert. Um die eigene Reputation wiederherzustellen, musste ein Sündenbock her, der stellvertretend für alles Negative, was den Green Lantern angehängt werden könnte, herhalten muss. Hal Jordan wurde zum Sündenbock auserkoren, floh schlussendlich und ist nun als Gesetzloser im Universum unterwegs. Vor seiner Flucht brachte er jedoch den Handschuh des Krona in seine Gewalt – ein Prototyp der Green-Lantern-Ringe und mindestens genauso mächtig.
Nachdem schon der Green-Lantern-Antagonist Sinestro mit einer eigenen Reihe Achtungserfolge in deutschen Bahnhofskiosken und Comichandlungen feierte, liefert nun also auch ein Vertreter der galaktischen Smaragdritter eine Antiheldensicht auf die Welt der Green Lantern. Hal Jordan trägt lange Haare und Kapuze, „gritty“ statt glänzend lautet das Motto. Ein rücksichtsloser Weltraumrocker ist Jordan dennoch nicht, er mahnt seine Weggefährten immer wieder, dass man für die Umsetzungen seiner Ziele nicht tötet. Gleich zu Beginn der von Robert Venditti erdachten Geschichte kommt es zu einem exemplarischen Vorfall. Jordan wird in einer Diskothek gestellt, überwältigt seine Verfolger und ist anschließend gnädig mit ihnen. Diese verstehen das nicht, doch der ehemalige Ringträger nimmt sich die Zeit und erklärt es ihnen. Denn auch wenn sein Ringfinger nun frei ist, den Green Lantern und ihren Werten fühlt er sich immer noch verbunden. Später sagt er sogar: „Ich bin kein Green Lantern mehr. Aber wenn du meinst, ich leg die Füße hoch, während das Corps in Schwierigkeiten ist, bist du verrückt.“
Reibungspunkte dank guter Nebenfiguren
Klar, Jordan wurde gegen seinen Willen zum Prügelknaben ernannt, weshalb wirklich eitel Sonnenschein nicht aufkommt. So geht er schon mal ruppiger mit seinen Gegnern um, wenn ihm etwas nicht passt. Doch bei all dem Ganovendasein ist sogar für etwas Humor in den fünf auf rund 100 Seiten verteilten Kapiteln Platz. Die Dialoge zwischen Jordan und seinem Raumschiff Darlene sind durchaus spritzig und lockern die sonst eher düstere Grundstimmung auf. Jordans Crew bestehend aus dem adligen und großherzigen Virgo sowie dem Kopfgeldjäger Trapper bieten genug Reibungspunkte, um den Charakter des Protagonisten etwas komplexer und herausfordernder zu gestalten. Gerade die Beziehung zwischen Trapper und ihm entwickelt sich im Laufe des Bandes immer weiter. Am Ende bauen beide gegenseitiges Vertrauen auf und die Entstehung eines nachvollziehbaren Zusammengehörigkeitsgefühls ist geglückt.
Bobby Tan, der in der Vergangenheit unter anderem für „Uncanny X-Men“, „Tomb Raider“ und „New Avengers“ zeichnete, hat in „Der Abtrünnige“ trotz modernem und buntem Zeichenstil eine gefährlich wirkende und dreckige Welt geschaffen, die mit großen Panels viel Raum für spektakuläre Science-Fiction-Action bietet. In Kombination mit Vendittis Story ein gelungener Startschuss für eine Sonderserie, der der Versuch gelungen ist, die Welt rund um die Green Lantern wieder etwas cooler erscheinen zu lassen. Mit einem fairen Unkostenbeitrag von 12,99 Euro kann man nichts falsch machen und sollte sich die Zeit nehmen, bis zum Erscheinen des zweiten Bandes am 30. August hineinzuschnuppern. Gerade Comicleser, die mit den grünen Laternen bisher nichts anfangen konnten, bekommen hier einen schönen alternativen Zugang. Denn nicht einmal der berühmte Green-Lantern-Eid findet in diesem Band Erwähnung.
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