Heppy im Interview: „Echte Emotionen, aber kreativer verpackt!“

Für Heppy ist der Begriff Rapper viel zu beschränkt. Denn neben der Musik bastelt er an Musikvideos, Comics, YouTube-Serien und allem, was seine Kreativität sonst noch zulässt. Was das Ganze mit einem Zeitreisenden aus den sechziger Jahren zu tun hat, hat er uns in einem ausführlichen Gespräch über Kunst und Popkultur verraten.

 

In Zeiten von SoundCloud-Rap, Supreme-Kollektionen und Instagram als potenzielle Karrierechance muss es für jüngere Hip-Hop-Hörer fast unglaublich klingen, dass es vor sieben Jahren noch etwas anders aussah. Wer damals mit dem Rappen begann, gehörte einer Szene an, die klare Vorstellungen von Hip-Hop hatte. Hatte ein Rapper genug davon, wurde er zum selbsternannten Künstler, schnappte sich eine Gitarre für Singer-Songwriter-Ausflüge oder verbannte den DJ, um mit einer Band fortan „richtige“ Musik zu machen. In diesen Zeiten ist Heppy – Rapper aus Esslingen bei Stuttgart – musikalisch aufgewachsen. Doch den Schritt zu Akustikgitarre und Band ging er nicht mit. Stattdessen schuf er eine Kunstfigur, die ihm eine ganz neue Welt der Kreativität eröffnete.

 

Zu Beginn ließ auch Heppy die gute alte Hip-Hop-Schule über sich ergehen. 2011 veröffentlichte er den ersten von zwei Teilen seiner „Soul Food Café“-Alben. Lupenreiner Boom-Bap, den die langweiligen Realkeeper noch heute zu seiner stärksten Musik zählen würden. Drei Jahre später fand ein Umdenken statt. Lukas Hepp – wie es Heppys Personalausweis behauptet – trug sein Rapper-Alias zu Grabe und erschuf es unter gleichem Namen neu. Lukas schlüpfte hierfür in die Rolle eines Zeitreisenden, der den Style aus den sechziger Jahren in unsere Zeit transferiert. Was sich optisch in Hut, Sonnenbrille und Anzug widerspiegelt, hat sich musikalisch zu Rap mit Rock’n’Roll-, Mambo- und Electro-Swing-Einflüssen entwickelt.

 

 

„Der Charakter ‚Heppy‘ ist eine Mischung aus Comicsuperheld und Vintage-Musiker und wird live on stage, auf Tonträgern, in Videos und Comics durch seinen Erschaffer Leben eingehaucht“, heißt es in der Presseinfo. Und dieser Rolle bleibt Heppy in wirklich allen Bereichen seines Schaffens treu. Wenn er auf Facebook etwas schreibt, dann macht das Heppy und nicht Lukas. Wenn er einen Text rappt, dann ist das Heppy und nicht Lukas. Er erkennt die Gefahren, die ein Festhalten daran mit sich bringt. Gerade in sozialen Medien könnte er missverstanden werden: „Ich versuche ein Zwischending zu finden. Es gibt ja auch die Möglichkeit, Sachen zu sagen, die von beiden Welten kommen könnten.“ Doch wie wirkt sich das konkret auf die Musik aus?

 

Heppy: „In den Texten ist es komplett Kunstfigur und da benutze ich auch bestimmte Wörter nicht, die Lukas Hepp sagen würde. Und wenn ich ein Wort aus den sechziger Jahren verwende, mache ich das dann auch nur in der Musik. Da bin ich sklavisch, kam aber noch nie an den Punkt, an dem ich gerne Sachen gesagt hätte, dies aufgrund der Kunstfigur jedoch nicht konnte. Ich finde immer einen Weg mich auszudrücken.“

Wie kannst du persönliche Inhalte vermitteln, wenn du gleichzeitig eine Kunstfigur bist?

Heppy: „Der Prozess ein Lied zu schreiben, ist meines Erachtens nach intuitiv. Du setzt dich hin und es fließt aus dir heraus. Das reichere ich dann mit Details meiner Kunstfigur an. Was ich nicht mache, ist mich zu limitieren. Das heißt beispielsweise, wenn ich an einem Tag Stress habe, habe eben nicht ich, sondern die Kunstfigur Stress. Das sind dann immer noch echte Emotionen, aber kreativer verpackt. Ich sitze gerade an einem Album, in dem ziemlich ernste Sachen drin sind. Die sind aber so verarbeitet, dass sie sowohl von Heppy als auch Lukas Hepp stammen könnten.“

 

Schon bevor Heppy der Zeitreisende wurde, bediente er sich an Konzepten, die es ihm leichter machten, schwere Themen zu verarbeiten. 2013 erschien die EP „Breaking Hepp“, in der er den Tod seines Vaters und die Trennung von seiner Freundin behandelte. Die Klammern für dieses Projekt bildete seine Liebe zur Popkultur, was bereits der Name der Veröffentlichung verrät. Heppy nutzt die Werke Anderer, um daraus Kreativität zu schöpfen. Damit schließt sich wieder der Kreis zu seiner Hip-Hop-Sozialisation. Denn ob er nun über einen knochentrockenen Straßenfeger oder einen Rock’n’Roll-inspirierten Beat rappt, spielt keine Rolle. Er hält sich an die Hip-Hop-Traditionen, indem er etwas Bestehendes nimmt und etwas Neues daraus macht.

 

 

Dabei ist Heppy eine Sache besonders wichtig: Das Erschaffene muss unterhaltsam sein. Nur so ist es seiner Meinung nach möglich, Inhalte nachhaltig zu vermitteln. Das Fundament, das er für seine Kunstfigur wählte, würde der Volksmund als „retro“ bezeichnen: Musik aus den sechziger Jahren, mit der er durch seine Oma in Berührung kam. Er spürt in der Musik von damals Seele und Liebe, die er auf sein Schaffen übertragen möchte. Heppy ist erst 25 Jahre, fühlt sich aber mit einer Zeit verbunden, die doppelt so lang her ist. Er hört Musik lieber auf Schallplatte als Spotify und liest seine Comics eher in printform als auf dem Tablet. Neben der Musik arbeitet er als Social-Media-Manager für ein Hotel. Den modernen Techniken verschließt er sich also nicht, sieht im Analogen aber einen größeren Wert als im Digitalen.

 

Heppy: „Wenn ich eine Spotify-Playlist mit 5.000 Liedern zusammensuche und am nächsten Morgen wieder fünf rausschmeiße, dann hat der einzelne Song keinen Wert. Wenn ich mir eine Schallplatte mit zwei Liedern kaufe, ich mir dann die Zeit nehmen muss, meinen Plattenspieler anzuschließen und die Scheibe aufzulegen, fordert mich der Song automatisch heraus, mich mit ihm auseinanderzusetzen. Das Gleiche gilt mit dem Kino. Wenn du auf Netflix etwas streamst, besteht die Gefahr, dass du ans Handy gehst und abgelenkt bist. Wenn du ins Kino gehst, ist alles um dich herum dunkel und du bist gefangen. Du musst dir diesen Film angucken. Dieser Fokus auf die Kunst selbst ist für mich der Reiz.“

 

Jüngere Hörer wird er mit so viel Leidenschaft für das Analoge nicht vom iTunes-Store in den Plattenladen treiben – das weiß Heppy selbst – doch er kann zumindest versuchen, ihnen den Wert von Kunst zu vermitteln. Und Kunst ist in Heppys Welt nicht auf die Musik beschränkt. Aufwändige Videos, liebevoll gestaltete Comics und eine stimmige Website sieht er als Teil des Gesamtpakets. Diese stehen auf einer Stufe mit der eigentlichen Musik. Zusätzlich zur EP „Jalapenos“, die 2017 erschien, veröffentlichte er zwei Musikvideos und zwei Episoden seiner YouTube-Show „Heppy Hour“, die den Hörer noch tiefer in Heppys Welt ziehen sollten. Doch erst mit dem Wechsel vom Rapper Heppy zur zeitreisenden Kunstfigur Heppy fasste er das Selbstvertrauen für solche Projekte.

 

Heppy: „Jetzt kann ich machen, was ich möchte: Comics, Zeichentrick, Stop-Motion-Filme, alles Mögliche. Davor war ich immer der Meinung, dass das nicht passen würde oder zu aufwändig wäre. Dann habe ich mir irgendwann gedacht, dass ich das jetzt einfach mache. Jedes Video muss richtig geil und komplett durchdacht sein. Dadurch kriegt die Musik noch mehr Wert.“

Du bist zweifelsohne talentiert, aber auch du kannst sicherlich nicht alles. Wie häufig kommst du an den Punkt, dass du Kompromisse eingehen musst?

Heppy: „Bisher eigentlich fast noch gar nicht. Ich habe mir einen Künstler-Pool mit Leuten zusammengestellt, die ich kenne und die mir sagen können, wie schnell etwas geht. Ich bin auch jemand, der durch sein Wissen über Videoproduktionen weiß, wie er bestimmte Dinge in einem bestimmten Rahmen umsetzen kann. Ich versuche, es anhand eines Beispiels zu erklären: Der erste ‚Saw‘-Film besteht aus zwei Leuten, die sich in einem Zimmer aufhalten. Fertig. Aber trotzdem ist er spannend und kreativ gemacht. Wenn nicht so viel Geld zur Verfügung steht, muss man nutzen, was man hat. Und so gehe ich das Thema auch an. Ich weiß mittlerweile, wie ich meine Ressourcen nutzen muss, um das bestmögliche in der jeweiligen Situation herauszuholen.“

 

 

Ein Blick auf Heppys YouTube-Kanal verrät, dass er tatsächlich dazu in der Lage ist, Projekte auf die Beine zu stellen, auf deren Produktionswert selbst Künstler mit der 50-fachen Abonnentenzahl neidisch wären. Für das Musikvideo zu „Atom-O-Vision“ ließ er computeranimierte Riesenameisen durch Stuttgart wüten, für den „Marvel Song“ die Avengers in Zeichentrickform tanzen und für „Jalapenos“ sein Schauspieltalent scheinen. Aber was ist, wenn Heppy doch mal „Saw II“ drehen möchte, ihm hierfür aber die Kompetenzen fehlen? Keine Panik, er schreibt die Idee auf und setzt sie später um. Denn Heppy sieht sich selbst am Anfang einer Reise. Auch wenn er mit dem Begriff hadert, bezeichnet er sich nach sieben aktiven Jahren immer noch als „Newcomer“.

 

Heppy macht sich zwar weitreichende Gedanken über Veröffentlichungspläne, die Kunst entsteht in erster Linie aber für ihn selbst. „Moment!“, werden Menschen aufschreien, die schon mehr als ein Interview mit einem Rapper gelesen haben: „Sagen das nicht alle?“ Heppy ist sich bewusst, dass seine Werke für die Masse funktionieren könnten. Sie müssen nur noch auf die richtige Weise gepusht werden. Doch Massentauglichkeit um jeden Preis ist trotzdem nicht sein Ding. Dafür legt er zu viel Wert auf die kleinen Details. Statt im Monatsrhythmus neue Musik zu veröffentlichen, verliert er sich in Großprojekten, die alle Aspekte seiner kreativen Schaffenskraft fördern. Heraus kommen Perlen, die Ohren, Augen und Herz gleichermaßen erreichen sollen. Und das ist in Heppys Falle mehr wert als SoundCloud-Rap, Supreme-Kollektionen und Instagram-Karrieren.

 

Heppy im Internet:
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  1. Musik-Review: Heppy – Kill All Humans! – like it is '93 // das Popkultur-Magazin

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