Hip Hop Open: Ein Rückblick
Eine Nachricht auf der offiziellen Facebook-Seite des HipHop Opens reichte, um die Stuttgarter Internetgemeinde Nüsse gehen zu lassen: „Die HipHop Open 2012 kehren zurück in die Mutterstadt: 14. Juli 2012 – Reitstadion Stuttgart. Der erste bestätigte Künstler ist: Max Herre. Schön, dass wir wieder da sind!“
Was 2000 auf dem Platz vor dem neuen Theaterhaus in Stuttgart begann und noch Jahre später auf der offiziellen Website der Veranstaltung als „grandioser Erfolg“ bezeichnet wurde, ging bis ins Jahr 2009 durch alle möglichen Höhen und Tiefen. Wir blicken auf einen Event zurück, das zwischenzeitlich Europas größtes eintägiges HipHop-Festival war und neben dem Splash als die wichtigste Veranstaltung Rap-Deutschlands galt: Das MTV HipHop Open.
Die große Deutschrapwelle erfasste Ende der 90er so ziemlich alles. HipHop war in den Medien präsent wie unten-ohne-Bilder von Britney Spears und Paris Hilton. Mit dem Chemnitzer Splash-Festival gab es auch damals schon ein mehrtägiges HipHop-Event, das sich in der immens gewachsenen Szene relativ schnell etablieren konnte. Chemnitz ist nun aber mit einer Entfernung von 430 Kilometern nicht gerade um die Ecke und die Nachfrage in damaligen HipHop-Hauptstädten wie Stuttgart oder Hamburg war riesig. Hamburg reagierte mit dem Flash, das von 1999 bis 2002 veranstaltet wurde.
Die Echthalter von 0711 Entertainment und das Premium-Label Four Music machten daraufhin ebenfalls das, was sich einfach anbot: Vorhandene Infrastrukturen nutzen, sich einen großen Sponsor sichern – in diesem Falle die Damen und Herren von MTV –, um dann im Jahre 2000 mit 14.000 zahlenden Gästen völlig durch die Decke zu gehen. Das Ganze mit einem Line-Up, das zu damaligen Zeiten dermaßen den Zeitgeist traf, dass man heute noch nostalgisch wird und am liebsten die alten Hits aus dem Plattenschrank kramen möchte. Unter anderem waren Fk-Allstars, Absolute Beginner, Massive Töne, Fünf Sterne Deluxe, Afrob, DJ Thomilla und Blumentopf mit dabei.
2001 konnte man mit 15.000 Besuchern an den Erfolg des Vorjahres anknüpfen. Nicht ganz zu Unrecht, denn die Veranstalter wiederholten nicht bloß das, was sie 2000 vorgemacht hatten. Nein. Das Line-Up wurde mit LL Cool J, Double Pact und Freeman internationaler. Mit Jan Delay (und seinem damaligen Reggae-Album „Searching For The Jan Soul Rebels”), Clueso, Gentleman und Seeed musikalisch offener. Und mit Samy Deluxe, den Massiven Tönen, Blumentopf und Spax gewohnt heimisch hiphoppig. Daran konnte auch der Umzug in das weniger zentrale Kickersstadion Waldau nichts ändern.
2002 kam es zu einem weiteren Umzug in die von da an erst mal endgültige Location: Das Reitstadion direkt neben dem Wasen in Bad Cannstatt. Auf den internationalen Flair, den LL Cool J im Vorjahr mitgebracht hatte, wollten die Veranstalter auch 2002 nicht verzichten. So holte man weit aus und schnappte sich gleich drei US-Rapper für das in diesem Jahr von 13.000 Menschen besuchte Festival. Pharoahe Monch bretterte mit seinem großen Hit „Simon Says“ über die Bühne, Afu-Ras Auftritt war noch etwas besonderes, bevor er dann jedes zweite Wochenende im Zollamt auftrat und die eine Hälfte der Cali Agents – Planet Asia – bemühte sich, das recht junge Publikum von sich zu überzeugen.
Durch Basketball, Breakdance und Graffiti versuchten die Veranstalter 2003 mit der vierten Ausgabe des HHO den Kulturgedanken des HipHops wieder etwas mehr in den Fokus zu rücken. Dass das bei 12.000 Gästen, die sich zum Großteil dann doch eher als Fans oder Hörer bezeichnen würden, nicht unbedingt durch die Bank fruchtete, konnte man getrost als nicht überraschend abhaken. Trotzdem bemühte man sich die Qualität der beiden Vorjahres-Line-Ups mindestens zu halten. So kam mit RZA und der Saian Supa Crew wieder ein wenig internationale Atmosphäre in die Ränge des Reitstadions. Trotz alledem konnte man nicht darüber hinwegsehen, dass sich da irgendwie etwas wiederholte: Die Beginner, Massiven Töne, Samy Deluxe & Afrob, Curse, Gentleman, D-Flame… immer dieselben Gesichter?!
Der nächste große Schritt musste einfach kommen. Die Veranstalter gingen diesen, indem sie das Festival 2004 um einen Tag erweiterten. So wurde aus Europas größtem eintägigem HipHop-Festival nur noch irgendein HipHop-Festival. Die Besucherzahlen gingen deutlich zurück (genaue Zahlen sind nicht bekannt, man munkelt aber, dass es so um die 7.000 pro Tag waren), Jadakiss sagte kurzfristig ab und zu allem Überfluss wurde die Veranstaltung auch noch durch den Azad-sido-Vorfall überschattet. Da konnte auch das hochkarätige Line-Up nichts mehr schön aussehen lassen. Obwohl Kool Savas mit seinem ersten großen Auftritt in der baden-württembergischen Landeshauptstadt glänzte, aus den Staaten Cypress Hill, Xzibit, Masta Ace, Camp Lo und die Ying Yang Twins anreisten, sich Maeckes & Plan B endgültig in der Erfolgsspur einreihten und Dendemann nach dem Eins-Zwo-Split zum ersten Mal neues Material präsentierte.
Spätestens 2005 befand sich das MTV HipHop Open in einer Sackgasse. Das 2-Tages-Experiment konnte ohne weiteres als gescheitert betrachtet werden. Das Line-Up, das aus den immer gleichen deutschsprachigen Rappern und einem großen Ami-Aufhänger bestand, langweilte so langsam auch den jüngsten Trend-HipHopper. Und die übertriebenen Polizeikontrollen machten weniger Spaß als ein Toilettengang auf Festivalklos. So überraschte es auch nicht, dass man mit Snoop Dogg, Looptroop, Toni-L und Culcha Candela gerade mal vier Künstler, die noch nie auf einem HHO auftraten, im Programm hatte. 15jährige in Handschellen vom Gelände abtransportiert wurden. Und von Veranstalterseite aus erneut keine Zuschauerzahlen bekanntgegeben wurden.
„Manchmal ist es eben nicht schlecht, ein gewisses Vakuum zu erzeugen und dann entsprechend zurückzukommen. Wir erkennen aktuell keinen Sinn darin, das Festival mit der Brechstange zu erzwingen, wenn wir nicht zu 110% unseren eigenen Ansprüchen gerecht werden können.“, gab Johannes Strachwitz, Geschäftsführer der 0711 Entertainment GmbH, 2006 in einer Pressemitteilung bekannt. Denn dank der Fußball-WM und eines dazugehörigen Fan-Camps war das HipHop Open aus Platzgründen gezwungen zu pausieren. Trotzdem mussten Hardcore-Fans nicht auf Rap unter freiem Himmel verzichten. Dank der Open-Sponsoren und Chimperator Productions fand als Ersatz die kostenlose „Spit-It-Like-Beckham“-Jam statt.
Strachi sollte mit seinem Statement recht behalten. 2007 kam das MTV HipHop Open mit einem riesigen Knall zurück. Erfolgreich wie noch nie zuvor besann man sich wieder auf das, was das Festival einst so groß machte. Der Stuttgarter Freundeskreis formierte sich neu und feierte in der alten Heimat sein bombastisches Comeback. Der Wu-Tang Clan besuchte fast vollständig das Reitstadion. Und mit Prinz Pi und K.I.Z. verschloss man die Augen auch nicht vor den neuen Gesichtern im deutschen Rap-Geschäft. 13.000 Besucher brachten das Festival zurück zu altem Glanze.
Doch mit den 8.000 Zuschauern, die 2008 für die neunte Runde der Veranstaltung in die Schwabenmetropole reisten, konnte niemand der Verantwortlichen zufrieden sein. Stimmen wurden laut, dass das Polizeiaufgebot zu übertrieben wäre und die Stadt das Festival sowieso loshaben möchte. So kam das, was kommen musste. Mit großen Namen wie Ludacris, Ice Cube, Dynamite Deluxe, sido und Olli Banjo verabschiedete sich das MTV HipHop Open in Richtung Mannheim und fand 2008 das letzte Mal in Stuttgart statt.
Mit dem Umzug 2009 nach Mannheim, der Namensänderung in MTV HipHop Open Minded und der dazugehörigen Neuausrichtung des Konzeptes zu mehr Familienfreundlichkeit, ging vorläufig ein großes Kapitel Stuttgarter HipHop-Geschichte zu Ende. Beim HipHop Open waren die Gäste immer ein, zwei Jahre jünger als beim Splash-Festival. Die Polizei nahm alles sehr genau. Das Line-Up schien sich des Öfteren zu wiederholen. Und MTV präsentierte einen Tag lang vordergründig Rap und hintergründig sich selbst und ihren tollen Zugang zur coolen HipHop-Szene. Trotzdem waren wir immer da!
Und 2012 wird wieder alles gut. Max Herre, Wiz Khalifa, Mac Miller und Cro wurden bereits bestätigt, das Reitstadion steht bereit, MTV wurde gestrichen und die Freude bei den Heads ist so groß wie damals mit 16. Am 14. Juli werden wir wieder diesen einen Sommertag im Jahr erleben, an dem man sich 14 Stunden durch Sonne und Regen schlagen muss, und abends trotzdem glücklich in seinem eigenen Bett liegen kann. Oder wie es kessel.tv schrieb: „HipHop’s coming home!“
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