Urheberrechte im Internet – Sind RedTube-Nutzer arme Wichser?
69,7 % der Deutschen vertrauen Rechtsanwälten. Damit stehen die Gesetzesflüsterer in der GfK Vertrauensstudie direkt vor Soldaten (66,5 %) und hinter Taxifahrern (71 %). Neben Vertrauen, dürften Anwälte dagegen bei Betreibern von Online-Angeboten nicht selten auch Angst, Verwirrung oder sogar Zorn hervorrufen. Das beweisen zumindest die etlichen Ratgeberartikel rund um die Impressumspflicht, Störerhaftung und andere Rechtsfragen für Blogger, Online-Shops und Social-Media-Typen. Dabei ist Verunsicherung nicht angebracht und die Beschäftigung mit der Thematik sehr spannend. Schließlich ist es nicht zuletzt das Internet, das unsere Popkultur vorantreibt und erst ermöglicht. Man denke nur an Bandcamp, Katzencontent und nicht zuletzt Blogs. Und weil nun auch like it is ’93 selbst erste Erfahrungen mit der Problematik sammeln durfte, wird es Zeit, ein bisschen über Internetrecht, Popkultur und RedTube nachzudenken.
Störerhaftung – der beste Kumpel der Streamingdienste
Grundsätzlich gilt, ein Contentanbieter haftet für die eigenen Inhalte – soweit, so fair. Im Fall von diesem schönen Blog, ist das der junge Mann im Impressum. Ab wann etwas einen eigenen Inhalt darstellt, ist allerdings in der Praxis nicht immer leicht zu bestimmen und Ausgangsfrage vieler Rechtsstreitigkeiten. Stellen beispielsweise die Kommentare unter einem Blog oder die hochgeladenen Filme auf einem Streamingportal eigene Inhalte der jeweiligen Betreiber dar? Ist besagter junger Impressumsmann also verantwortlich, wenn ihr hier unten rechtswidrigen Mist verbreitet? Das wäre wohl nicht ganz so fair. Dabei ist diese Frage rechtlich besonders spannend, weil in dieser Konstellation häufig verschiedene Grundrechte kollidieren. So kann ein beleidigender Forumseintrag beispielsweise eine Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellen, das Betreiben eines (kommerziellen) Forums aber gleichzeitig durch die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit geschützt sein. Welches dieser Grundrechte nun „mehr Gewicht“ hat, ist gar nicht so leicht zu bestimmen. Um den Betreiber vor unverhältnismäßigen Prüfpflichten zu schützen, gibt es deshalb die Störerhaftung. Danach trifft den Betreiber erst dann eine Prüfpflicht, wenn er von einem Dritten auf eine Rechtsverletzung aufmerksam gemacht wurde bzw. eine solche Verletzung offensichtlich ist.
Diese Rechtslage lässt sich zum Beispiel gut an Streamingdiensten beobachten. Laden hinterhältige Schurken aktuelle Kinofilme auf einer solchen Seite hoch (=rechtswidrige Vervielfältigung), sind diese häufig einige Tagen bis Monate abrufbar, bis der Dienstbetreiber darauf aufmerksam gemacht wird und diese wieder entfernt. Mehr als eine Sperrungs- bzw. Löschungspflicht trifft den Betreiber in diesem Fall nicht. Denn er ist nicht Contentanbieter, sondern nur Störer, der eine potentielle Gefahrenquelle eröffnet.
Zu eigen gemachte Inhalte – A Link to the Knast
Nicht selbst erstellte Inhalte sind dabei aber nicht immer auch keine eigenen Inhalte. Stellen wir uns eine hypothetische Internetseite vor, die Streaminglinks zu aktuellen Kinofilmen sammelt, verbreitet und dies auch offen kommuniziert (beispielsweise durch ihren Namen, Layout oder ähnlichem). Der Seiteninhaber lädt die Filme weder selbst hoch, noch speichert er sie auf seiner eigenen Seite. Also sind es keine eigenen Inhalte und er kommt ungeschoren davon – Störerhaftung, richtig? Nein, nicht ganz. Ein Seitenbetreiber haftet auch für zu eigen gemachte Inhalte voll. Dabei kann eine Zueigenmachung auf unterschiedliche Arten entstehen. Werden Links beispielsweise geframed, also in das eigene Seitenlayout integrieret, oder so gesetzt, dass sie den Eindruck erwecken, zur eigenen Seite zu gehören (Deeplink), ist deren Inhalt schon zu eigen gemacht. Auch wenn, wie im Falle der Kinoseite, ein starkes wirtschaftliches Interesse hinter den Verlinkungen steht und diese eigene Inhalte vollständig ersetzen. Die hypothetische Kinoseite haftet also, nicht aber der Streamingdienst, auf dessen Servern die Filme liegen.
Urheberrechte im Internet – Sind RedTube-Nutzer arme Wichser?
Erneute mediale Virulenz erhielt das Thema Internetrecht Ende 2013 durch die Abmahnungswelle gegen Nutzer des Pornoportals RedTube. Der Vorwurf der Rechteinhaber: rechtswidrige Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke. Das Hoch- und Herunterladen von geschützten Filmen stellt fraglos eine Vervielfältigungshandlung dar. Wie sieht es aber mit dem reinen Streamen aus? Auf diese Frage antwortet das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz in einem Schreiben, das auf dem (empfehlenswerten) Blog iRights.info abrufbar ist. Dabei wird zum einen auf den Paragraphen 44a UrhG verwiesen, der eine Vervielfältigung erlaubt, die im Rahmen eines technischen Verfahrens nur für vorübergehende Zeit geschieht. Auch verweist er auf die sagenumwobene Privatkopie, die ebenfalls eine Vervielfältigung im privaten Rahmen ohne kommerzielles Interesse erlaubt. Somit wäre Streaming keine rechtswidrige Vervielfältigung. Diese Sichtweise teilen auch viele Juristen, letztlich ist hier die Rechtsprechung aber längst nicht eindeutig und es fehlt eine entsprechende hochrichterliche Entscheidung des EuGHs.
Die Privatkopie zieht allerdings nicht, wenn die Kopiervorlage offensichtlich rechtswidrig hergestellt oder öffentlich zugänglich gemacht wurde (§ 53 UrhG). Die auf der vorhin erwähnten hypothetischen Kinoseite verlinkten Filme sind offensichtlich rechtswidrig zugänglich gemacht worden. Schließlich laufen sie gerade noch im Kino. Wie steht es allerdings beim gestreamten Pornovergnügen? RedTube ist grundsätzlich ein legales Angebot. Denn neben selbsthochgeladenen Amateurfilmchen, finden sich auch unzählige von Studios zu werbezwecken verbreitete Clips und Videos. Dass unter alle den Videos auch vereinzelt widerrechtlich vervielfältigte Werke bereitgestellt werden, ist für den Nutzer erst einmal nicht ersichtlich und somit auch nicht offensichtlich. Damit wären die Nutzer (um die es in der Abmahnungswelle geht) aus der Schusslinie. Auf Seiten RedTubes dagegen könnte hier mit der Störerhaftung argumentiert werden, wonach rechtswidrige Inhalte allerdings auch erst nach Kenntnisnahme entfernt werden müssten.
Das fragwürdige Vorgehen der abmahnenden Kanzlei
Neben diesen inhaltlichen Unklarheiten, ist auch das formale Vorgehen der Kanzlei zumindest sehr fragwürdig. So hat auch das zuständige Landgericht Köln den richterlich erlangten Herausgabeanspruch der Realdaten anhand der gesammelten IP-Adressen als unzulässig erklärt. Die Kanzlei habe in ihrem diesbezüglichen Antrag von dem Herunterladen der geschützten Inhalte gesprochen, was eine viel eindeutigere Vervielfältigung darstellt als das Streamen.
Weiterhin ist auch fraglich, wie die Anwälte überhaupt an die betreffenden IP-Adressen gekommen sind. Diese wurden nicht durch den Seitenbetreiber zur Verfügung gestellt, sondern über eine Software abgefangen. Die datenschutzrechtlich legale Funktionsweise dieser Software wird von IT-Experten und Juristen zumindest bezweifelt.
Warum das Ganze?
Die letzte ungeklärte Frage ist, was hat das mit like it is ’93 zu tun? Pornos sind unweigerlich ein großer Bestandteil des Internets und damit der Popkultur. Oder um es mit Dr. Perry Cox zu sagen: „Ich bin sicher, wenn man im Internet die Pornos verbieten würde, gäbe es bald nur noch eine Website und zwar mit dem Titel ‚Gebt uns die Pornos wieder‘“.
Aber hier geht es tatsächlich um mehr als Pornografie. Um an neue Filmen, Lieder, Bücher und all den anderen Kram zu kommen, ist das Internet mittlerweile die erste Anlaufstelle. Dabei dient es beispielsweise diesem Blog dazu, sein Publikum zu erreichen und mit anderen Bloggern, Künstlern oder Musikern zu kooperieren. Nicht zu vergessen ist auch, dass die verfremdende Verbreitung, die „schöpferische Zerstörung“ seit jeher in den Fundus unterschiedlichster Subkulturen gehört. Man denke nur an sämtliche Formen des Samplings im Hip Hop und der elektronischen Musik.
Ohne den überstrapazierten Spruch unserer Kanzlerin zu bemühen, konfrontiert uns das Internet tatsächlich nach wie vor mit neuen Situationen. Das kann auch junge Kreative davon abhalten eigene Ideen – wie beispielsweise einen Blog – umzusetzen. Dabei ist es vermutlich normal, kleinere Fehler zu machen, wie like it is ’93 jüngst mit der fehlenden Quellenangabe eines Bildes. Es wäre nur schade, wenn solche Projekte deshalb erst gar nicht zustande kommen würden. Daher soll dieser Beitrag das Interesse an Internetrecht und den Mut für neue Projekte wecken.
Letztlich ist anzumerken, dass auch ich selbst lang kein Rechtsexperte bin, sondern mich nur privat und im Rahmen meines Studiums viel mit den Themen Recht und Onlinekommunikation beschäftige. Ein offenes und interessiertes Auge reicht dabei aber häufig schon aus, um einen groben Überblick und Sicherheit zu gewinnen. Aber was ist mit Euch? Habt Ihr schon Erfahrungen mit dem Thema Popkultur und Urheberrecht im Internet gemacht? Ich freue mich auf Eure Erfahrung und Meinung in den Kommentaren.
Stark, Alter! 1. Schön geschrieben und 2. informativ, habe viel neues gelernt.
Danke, freut mich, wenn du es trotz des stellenweise abstrakten Themas gerne gelesen hast.
Hattest du mit dem Themenkomplex denn schon einmal Berührung?
Pornos? Ja.
Erzähl uns davon.
Was soll ich sagen, gelegentlich schütte ich zwei fingerbreit guten Bourbon zu ein paar Eiswürfeln in eines meiner Kristallgläser und schlendere im Morgenrock in den Salon. Indirekte Beleuchtung hinter der Eichenholzvertäfelung, schwere Folianten der großen Denker des letzten Jahrhunderts und ein perfekt erhaltener Ledersessel von 1923. Vorsichtig knipse ich die Spitze einer illegal importierten Kubanischen ab, entzünde sie mit einem Streicholz und schmauche erst einmal ein paar Minuten munter vor mich hin. Zu den leisen Klängen eine knisternden Jazzplatte widme ich mich dann
Wo hast du denn da Copy+Paste gemacht??? 🙂
Schön geschrieben und sehr informativ. Respekt! 😉