Der Rapper Körpa Klauz geht nicht mehr aufs Amt
Körpa Klauz schrieb 2001 sein erstes Lied. 19 Jahre später ist das Hobby ein Beruf. Doch der Spagat zwischen Selbstverwirklichung und finanzieller Unsicherheit beschäftigt den „Afroschwaben“.
In seinem fünfzehnten Jahr als Musiker beschenkte sich Körpa Klauz selbst. Mit „Die Verhältnisse zum Tanzen bringen“ veröffentlichte er 2016 sein Debütalbum. Ein professionelles Mastering, durchdachte Konzepte und ein abwechslungsreiches Klangbild – Klauz hat mit der Platte den Charme seiner früheren Schlafzimmerproduktionen abgeschüttelt. Für viele Fans kam das überraschend. Anderthalb Jahrzehnte lang kannte sie ihn als lustigen Musiker, der die immer gleichen Lieder über die Arbeitsagentur und das Schwarzfahren rappte.
Stücke wie „Ich geh aufs Amt“ und „Fahrausweis“ genießen in Stuttgart Kultstatus. Jeder Hip-Hop-Fan kann die Texte mitrappen. „Mir war es mittlerweile schon peinlich, immer den ‚Amt‘-Song live zu spielen“, gibt Körpa Klauz zu. Doch auch die neuen Lieder sorgten den 41-Jährigen: „Ich hatte Bedenken, dass das Album zu sauber produziert und somit weniger nach mir klingt.“ Vier Jahre später zeigt sich, dass das Kopfzerbrechen unnötig war. Der Zuspruch auf den Konzerten hat nicht abgenommen.
Die Identitätssuche beginnt
Klauz‘ Musikgeschmack ist von Techno bis Reggae breitgefächert. Seine erste Platte war „Fear Of A Black Planet“ von Public Enemy. Im Album kommen diese Einflüsse zusammen. Eurodance-Beats treffen auf Trap-Experimente, alberne Texte auf ernste Töne. Körpa Klauz bringt die Erfolgsformel seiner Lieder auf den Punkt: „Eine Geschichte mit rotem Faden, ein wenig Witz und ein eingängiger Chorus.“ Auf „Die Verhältnisse zum Tanzen bringen“ ging das mehr als einmal auf. Sei es die Anti-Autohymne „Mercedes“, das Graffiti-Lied „Einer dieser Nächte“ oder das Party-Stück „Wochenende“.
Doch auch persönliche Themen spricht der gebürtige Stuttgarter an. In „2 Soulz In One“ erzählt Klauz in einem deutsch-englischen Sprachgemisch, dass er bei einem One-Night-Stand entstanden ist. Der Vater verließ die junge Familie kurz nach seiner Geburt. Auch mit seinen deutschen und haitianischen Wurzeln setzt er sich in dem Lied auseinander: „Zwei Seelen in einem, kann mich nicht entscheiden, welche ist die richtige von beiden.“
Klauz, der eigentlich Dominik heißt, spricht offen über Themen wie Heimat und Identitätssuche. Einst habe er in der Öffentlichkeit Gitarre gespielt. Eine obdachlose Frau teilte ihm daraufhin mit, dass es in Deutschland eine Mittagsruhe gibt. Diese kurze Episode, in der sich eine Person am Rande der Gesellschaft über den vermeintlich „minderwertigen“ Ausländer stellt, habe ihn zu diesem Lied inspiriert.
So leicht kommen die Ideen allerdings nicht immer. Noch ein Dreivierteljahr vor der Albumproduktion blieben die kreativen Schüben auf einmal aus. Der Kirchheimer Rapper Fränk da Tänk zog Klauz aus diesem Loch. Gemeinsam nahmen sie Songs wie „Facebook ist tot“ oder „Spätzle mit Soß“ auf. Ein komplettes Album stand bereits in der Pipeline, doch kurzfristig entschied sich Klauz gegen die Veröffentlichung. „Ich habe die Musik gehört und gemerkt, dass das nicht Körpa Klauz ist.“ Die Enttäuschung bei Frank war zwar groß, doch ohne ihn säße er womöglich immer noch vor einem leeren Blatt Papier.
Über 200 Medienvertreter sagen Nein zum Album
2009 veröffentlichte Klauz die „Yardcore“-EP und ein Musikvideo zur Graffiti-Hymne „Babumm macht mein Herz“. Bei einschlägigen Szenemedien stieß er damit auf offene Ohren. Zuversichtlich ging er in die Werbephase für sein Debütalbum. Doch sieben Jahre später tickten die Uhren anders. Die Resonanz auf sein Schaffen fiel bescheiden aus. „Nach über 200 angeschriebenen Medien mit fast nur Absagen, bin ich glücklich über das erste unaufgeforderte Review“, schrieb er auf Facebook.
Damals verstand er die Welt nicht mehr. Heute sieht es Klauz gelassen. „Ich mache Musik, die nicht von allen gemocht wird“, sagt er und fügt hinzu: „Dieser Europop-Sound wie in ‚King of Graffiti‘ gefällt nicht jedem.“ Damals nahm er die Sache selbst in die Hand. Zum Lied „Tanz den Aal“ erzeugte er einen kleinen Hype in den sozialen Medien. Fans sollten einen Hip-Hop-Tanz erfinden, sich dabei filmen und das Video auf ihre Profile stellen.
Zwischen Konzerten vor 40.000 Menschen und dem Arbeitsamt
Bei einem Magazin, das er seit Jahren liest, wollte es der selbsternannte „Afroschwabe“ genauer wissen. Nachdem eine Berichterstattung abgelehnt wurde, rief er in der Redaktion an. Der genervte Redakteur fragte nur, ob er es mit einem Stalker zu tun habe. Solche Aktionen nimmt Klauz mit Humor. Höhen und Tiefen wechseln sich in einem Künstlerleben ab. Auf Facebook fand er dafür mal wieder die richtigen Worte: „Gestern noch vor 20 Leuten vor einem Café und heute vor 40.000 Leuten auf der TTIP-Demo aufgetreten. Am Montag geht’s dann wieder zur Agentur für Arbeit.“
Den Grundstein für dieses Leben legte er Ende der Neunzigerjahre in Berlin. Dort hat Klauz eine Artisten-Ausbildung abgeschlossen, in der er von der Jonglage bis zur Akrobatik alles lernte. Nach der Lehre ging der Rapper an seine körperlichen Grenzen. Mehrere Verletzungen zwangen ihn, die Laufbahn als Artist in Varietés zu beenden. Das ist tragisch, doch in diesem Berufsfeld normal, erzählt Klauz. Von den 19 Personen, die die Ausbildung mit ihm begonnen hatten, konnten nur drei abschließen.
Doch umsonst waren seine Lehrjahre in Berlin nicht. Während der Ausbildung erhielt er seinen Künstlernamen. „Meine Bewegungen sahen zu Beginn wohl ziemlich witzig aus.“ Mittlerweile veranstaltet er neben klassischen Rap-Konzerten auch Auftritte vor kleinerem Publikum. Darin nutzt er Theaterelemente. Es gibt also genug zu tun für den rappenden Vollblutkünstler. Die Arbeitsagentur muss auf Körpa Klauz erst einmal verzichten.
Körpa Klauz im Internet:
Website
Facebook
YouTube
Bandcamp
SoundCloud
Sehr schön geschrieben ….
Vielen Dank!