Kurz & knapp #11: sido, Nathan Gray, Mac Miller, American Ultra, Mad Max…
So viele spannende Neuerscheinungen und so wenig Zeit, all diese Platten, Filme, Spiele und Comics ausführlich zu behandeln. Im Format “Kurz & knapp” bringe ich es daher in Kurzreviews auf den Punkt. Diesmal mit dabei: Crack Ignaz, sido, Nathan Gray, Wildlights, Ought, Mac Miller, Ahzumjot, American Ultra, SMOSH: The Movie, Mad Max und Hatoful Boyfriend.
Über die Kölner Geschmacksinstanz Melting Pot Music ist dieser Tage Crack Ignaz‘ Album „Kirsch“ erschienen. Und was bei anderen Rappern Fremdschämanfälle auslösen würde, funktioniert bei dem Österreicher unglaublich gut. Heftiger Einsatz von Stimmverzerrern, süßlicher Gesang über die Lieblingsfrau und eher hingerotzte als präzise Raps – Crack Ignaz ist vielleicht nicht für alle Geschmäcker etwas, dafür aber durch und durch Styler. Er funktioniert gerade dank seines breiten Dialekts und den verkifften Slacker-Inhalten, die auch vor den großen Träumen mit dem vielen Geld nicht Halt machen. Crack Ignaz kann chillig („Oder ned“), cool („Gwalla“), verliebt („Sternenstaub) oder gefährlich („Mei Hawa“) und zeigt damit, dass das Eine das Andere nicht zwingend ausschließen muss. So klingt spannende Rap-Musik, die bereits Vorhandenes nimmt, mutig kombiniert und das Ergebnis stolz zur Schau trägt. Passend mit „VI“ betitelte sido sein sechstes Studioalbum, das bereits Anfang September in den Handel gekommen ist. 15 Stücke plus 2 Skits hat der wohl am härtesten arbeitende Rapper Deutschlands produziert und liefert damit vor allem inhaltlich vermeintlich tiefgründigere Kost ab, die den einen oder anderen schlaueren Gedankengang beim Hörer in Schwung bringen soll. So richtig möchte die Mischung aus Motivationsansagen, Selbstbeweihräucherung und Sozialkritik aber nicht zünden, denn zu simpel und nichtssagend wirken die Texte über die ach so schlechte Welt mitunter. Am Ende bleibt die ernüchternde Erkenntnis, dass sido große Schwierigkeiten hat, sich zwischen der groben Straßenattitüde, die ihn berühmt gemacht hat, und den Mainstreamaktivitäten, die ihn reich gemacht haben, musikalisch einzuordnen. Wo die Reise hingeht, weiß er scheinbar selber nicht. Zu hoffen bleibt aber, dass der frühere Maskenmann zu alten Stärken findet und wieder ein paar Kanten und Ecken abbekommt. Bevor Ende des Jahres das neue boysetsfire-Album erscheint, können sich Fans mit der Solo-EP „Nthn Gry“ des Frontmanns Nathan Gray die Wartezeit verkürzen. Fünf Stücke plus drei Remixe bietet das übersichtliche Werk, für das sich Gray nicht nur auf vertraute boysetsfire-Sounds oder für derartige Projekte typische Singer-Songwriter-Angelegenheiten verlässt. So frönt er beispielsweise in „Baptismal Rites“ elektronischen Klängen oder feiert in „Corson“ auf poppig-orchestrale Art und Weise das Leben. Ein wirklich geglückter Alleingang.
Ein Album für Seeleute hat Jason Shi von ASG gemeinsam mit Thunderlip!-Kumpel Johnny Collins aufgenommen. Und das Band- bzw. Albumprojekt, das auf den Namen Wildlights hört, ist nicht nur für Freunde des breitwandigen Sludge Metals etwas, nein, Shis charismatisch melodische Stimme holt so ziemlich alle Hörer mit einer Schiffsladung Zugänglichkeit ab. Vom ersten Stück „Anchors“ bis zum finalen Track „Big Frontier“ mischen die beiden Musiker in den zwölf Liedern Hard Rock mit Heavy Metal und wirken dabei wie eine fünfköpfige Supergroup, die seit Jugendtagen an der eigenen Kunst werkelt. Zu „Sun Coming Down“ – der neuen EP von Ought – besichtigt man Wohnungen in furchtbar großen Städten und richtet diese anschließend spärlich mit furchtbar alten Flohmarktmöbeln ein. Vermeintlich verkopfter Postpunk, der am Ende aber nur – im positivsten Sinne – chaotisch ist. Einmal reingehört, kann man sich von diesen eingängigen Songs, die sich dennoch hinter einer anziehenden Sperrigkeit verstecken, nicht mehr lösen. „Sun Coming Down“ wird nicht nur der Spex-Redaktion gefallen. Plötzlich stand mit „Go:od AM“ das neue Album von Mac Miller in den Plattenläden und ein wenig spannend ist die ganze Angelegenheit ja schon. Wohin entwickelt sich der mittlerweile 23-jährige Pittsburgher mit seinem dritten Studioalbum? Weder „Knock Knock“-iger Pop-Rap noch so verstörend verdrogt wie „Watching Movies With The Sound Off“ ist es geworden – dafür die perfekte Mischung aus beidem. Mister McCormick ist durch und durch Künstler, der hier punktgenau abliefert, indem er von trappigem Aggrosound bis souliger Gefühlsnummer alles in den 17 Tracks unterbringt. Inhaltlich beschäftigt sich Mac Miller nach wie vor am liebsten mit Mac Miller, an einem der rundesten Rap-Alben des Jahres ändert das aber nichts. Nach dem eher enttäuschenden Major-Album „Nix mehr egal“ von 2014 besinnt sich Rapper und Producer Ahzumjot mit der „Minus EP“ wieder auf das Nötigste. Auf futuristischen Drum-Patterns und weltraumigen Samples bespricht der sympathische Musiker was im letzten Jahr in und um ihn vorgegangen ist. Kurz vor dem Stardom stehen, dies nach außen kehren und anschließend tief fallen – Ahzumjot hat viel zu verarbeiten, was Alles-von-vorn-Hymnen wie „Tag Zwei“, Szenebeobachtungen à la „Platz/Angst“ und das finale Hose-runterlassen auf „Montag“ auf ansprechend unbequeme Art und Weise schaffen. Hier verbinden sich Text und Musik zu einem Gesamtding, das stimmig und frisch ist. Eine EP, die sich – ihrer Kürze geschuldet – schnell in einer Dauerschleife verfängt.
„Bourne“ trifft auf „How High“: Jesse Eisenberg und Kristen Stewart drehen in American Ultra ordentlich am Rad und dazwischen zig Joints. Berufskiffer Mike Howell und seine Freundin Phoebe Larson sind ein Vorzeige-Slacker-Pärchen, das in den Tag hineinlebt. Alles läuft easy peasy bis Mikes Vergangenheit als herangezüchteter Superagent des CIAs getriggert wird, was jede Menge brutale Action verursacht. „American Ultra“ ist Nima Nourizadehs zweite Regiearbeit nach „Project X“ und eine durchaus gelungene Mischung aus Komödie und Explosionskino mit charismatischen Figuren, schrägen Dialogen und coolen Momenten. Auch wenn das Presseecho eher verhalten ist, kann ich den Film empfehlen, um für die großen Winter-Blockbuster warm zu werden. Wir haben „Kartoffelsalat“ und die USA SMOSH: The Movie. Pech für uns, denn auch wenn der Film des YouTuber-Duos Smosh (bestehend aus Anthony Padilla and Ian Hecox) nicht die Offenbarung des laufenden Kinojahres ist, ist er im Vergleich zum deutschen Pendant ein wahres Meisterwerk. Um ein peinliches Video von YouTube zu löschen, begeben sich die beiden vertrottelten Loser à la Tron in die tiefen der Streaming-Plattform. Das bietet Raum für Gags auf einer Metaebene, die stellenweise richtig clever und bissig sind. Cameo-Auftritte von Berühmtheiten wie Steve Austin oder Jenna Marbles, die ihre eigenen Karrieren dabei durchaus augenzwinkernd betrachten, runden das Spektakel ab, das nicht nur für YouTube-Kiddies etwas ist.
Einen schlechteren Veröffentlichungstag hätte man für Mad Max – das Videospiel zum Franchise, das laut den Avalanche Studios jedoch nicht das Edelmerchandise zum Film, sondern ein eigenständiges Game sein soll – nicht wählen können. Die Frage ob man sich für das parallel erschienene „Metal Gear Solid V“ oder eben Max‘ Ausflug in die Wastelands entscheidet, wird in 9 von 10 Fällen sicherlich zu Gunsten von Hideo Kojimas Spektakelspiel ausfallen. Dennoch sollte man „Mad Max“ eine Chance geben, denn das nicht ganz ruckelfreie Open-World-Spiel hält einen trotz repetitiver Aufgaben, die absolviert werden müssen, um in der Geschichte voranzukommen, bei Laune. Es bockt einfach, mit dem Magnum Opus durch die atmosphärische Endzeitkulisse zu brettern, wuchtige Faustkämpfe im Stile der Arkham-Reihe auszutragen und am Aussehen und den Fähigkeiten der eigenen Figur und Fahrzeuge herumzuschrauben. Dabei sind all diese Features im Vergleich zu Konkurrenzspielen ultrasimpel gehalten, die Zeit, die man in Max trostloser Welt verbringt, streicht trotzdem dahin wie im Flug. Spielerische und technische Schwächen werden locker durch die frische Lizenz und einnehmende Stimmung ausgeglichen, was „Mad Max“ zu einem soliden Spiel macht, das zwar nicht auf den Jahresbestenlisten auftauchen, aber sicherlich auch niemand für eine Geldverschwendung halten wird. Aus dem Hause Devolver kommt die – im wahrsten Sinne des Wortes – tierisch abgefahrene Visual Novel Hatoful Boyfriend, die nun auch auf PlayStation 4 und Vita erhältlich ist. Ihr spielt ein Schulmädchen, das versucht, die große Liebe zu finden. Das Verrückte an der Sache: Man selbst ist eine menschliche Spielfigur, alle weiteren Charaktere sind aber Tauben oder andere Vögel. Klingt bekloppt und ist es auch, gerade deshalb aber ebenso charmant. Wem die happigen zehn Euro für den zweistündigen Spaß nicht zu viel sind, sollte reinschnuppern, denn fesselnd ist die Geschichte, die am Ende viel mehr als nur eine schräge Romanze ist, auf jeden Fall.
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