Kurz & knapp #30: Japandroids, iBoy, Boston, Let It Die, Resident Evil 7…
So viele Neuerscheinungen und so wenig Zeit, all diese Platten, Filme, Spiele und Comics ausführlich zu behandeln. Im Format “Kurz & knapp” bringe ich es daher auf den Punkt. Diesmal mit dabei: We Are Rinah, Pillath, Japandroids, Nintendo Quest, Take The 10, Scum’s Wish, iBoy, Boston, Let It Die, Resident Evil 7: Biohazard, Carnage & Der Krieg der Welten.
We Are Rinah spielen sich seit Jahren unermüdlich durch die Konzertlokalitäten des Landes und bringen die Menschen mit ihrer von Klezmer inspirierten Rockmusik zum Tanzen. Nun ist ihr erstes großaufgelegtes Album erschienen, das die Stärken der sechsköpfigen Band auf den Punkt bringt: Ohrwurmrefrains, mitreißende Klarinettenparts und ehrliche Leidenschaft für die Musik. Nicht umsonst ist die selbstbetitelte Platte mit dem Aufdruck „Made with love“ versehen. Einziger Wermutstropfen: Fünf der 16 Stücke sind bereits 2015 auf der “Hate Me Love Me”-EP erschienen. +++ Nachdem Pillath 2016 mit „Onkel Pillo“ den Rücktritt vom 2009 eingeläuteten Rücktritt erklärte, legt er mit „Onkel der Nation“ nach. Und wo er sich auf „Onkel Pillo“ erstmal warmrappen musste, knallt es jetzt richtig. Zeitgemäße Beats, die hauptsächlich von Gorex gestellt wurden, treffen auf für ihn typische Punchline-Orgien. Aber auch darüber hinaus gibt es Inhalte auf „Onkel der Nation“, die das Rad zwar nicht neu erfinden, im Laufe der 14 Lieder jedoch für Abwechslung sorgen. Sei es die Peter-Pan-Hymne „Kein bisschen reifer“, das Scheinheiligkeit anprangernde „Sie schämen sich nicht“ oder die Familientragödie in „Stummer Schrei“ – Pillath positioniert sich als gefestigter Typ, der bei aktuellen Trends nicht mitmachen muss. +++ Wer wissen möchte, wie astreiner Indierock klingt, sollte sich den Titelsong auf Japandroids drittem Studioalbum „Near to the Wild Heart of Life“ anhören. Das kanadische Duo spielt sich auf der Platte durch acht Hochglanzlieder, in denen sogar die woanders platt klingenden „oh oh oh“-Passagen Wertigkeit versprühen. „But I got no plans at all / Except to drink as soon as possible”, heißt es in “Arc Of Bar” und zeigt, wie sympathisch und geerdet Künstler und Musik nach über elf Jahren Bandbestehen noch sind.
Bereits 2015 in den USA erschienen, ist die Dokumentation Nintendo Quest nun auch über Netflix in Deutschland zu sehen. Filmemacher Rob McCallum begleitet darin seinen Freund Jay Bartlett auf einen Roadtrip durch Nordamerika. Das Ziel ist es, ohne die Hilfe des Internets innerhalb von 30 Tagen alle 678 in den USA veröffentlichten Spiele für das Super Nintendo zu kaufen. Leider nimmt sich der Film viel zu ernst, was in unpassend rührseligen Szenen gipfelt. Auch eine gewisse Transparenz bezüglich des vorhandenen Budgets sowie die geschichtlichen Einordnungen der besonders wertvollen Spiele, hätten dem Film etwas mehr Fleisch gegeben. +++ In der Netflix-Komödie Take The 10 versuchen sich zwei Supermarktangestellte nach Brasilien abzusetzen, um ihre spannungsarmen Leben hinter sich zu lassen. Bereits in der Eröffnungsszene, in der während einer Autofahrt eine sinnlose Diskussion über Konzertkarten geführt wird, lassen sich fast schon „Pulp Fiction“-Ambitionen erkennen. Spätere Perspektivensprünge zwischen insgesamt vier Figuren, die zeigen, wer was parallel getan hat, unterstreichen dies nochmals. Leider erstickt „Take The 10“ an dem Anspruch, mehr sein zu wollen als eine nicht besonders clevere Komödie mit mittelmäßigem Teenager-Humor. +++ Zwei unglücklich verliebte Jugendliche gehen eine Liebschaft miteinander ein, um die Leere zu füllen, die durch die nicht erwiderten Gefühlen entstanden ist. Scum’s Wish ist die neuste Produktion des japanischen Anime-Studios Lerche, das durch Serien zu „Danganronpa“, „Persona 4“ und „Assassination Classroom“ bekannt wurde. Die zwölf Episoden der ersten Season überzeugen durch tiefgehende Dialoge, die sich mit den Reibungspunkten zwischenmenschlicher Beziehungen beschäftigen. Das fühlt sich häufig sehr jugendlich an, ist bei genauerem Hinhören jedoch sehr reif formuliert. Hierzulande ist „Scum’s Wish“ mit deutschen Untertiteln bei Amazon Prime Video zu sehen.
Netflix hat Kevin Brooks‘ Roman iBoy mit Nachwuchsschauspieler Bill Milner und Arya-Stark-Darstellerin Maisie Williams verfilmt. Tom wird Opfer eines Gewaltverbrechens, durch das Smartphone-Splitterteile in seinen Kopf gelangen. Als er aus dem Koma erwacht, hat er plötzlich Superkräfte, die es ihm ermöglichen, durch seine Gedanken Informationen aus dem Internet abzurufen oder technische Geräte zu manipulieren. Regisseur Adam Randall hat es geschafft, Toms Fähigkeiten beeindruckend in Szene zu setzen. So könnten die Hacking-Aktionen bei einer Verfilmung von „Watch_Dogs“ aussehen. „iBoy“ überzeugt durch zwei Protagonisten, die hervorragend harmonieren. Der Plot wirkt zwar flach, doch die Science-Fiction-Erzählung rund um Toms „Handy-Kräfte“ ist zumindest glaubhaft. +++ Ein Film über die Terroranschläge beim Boston-Marathon 2013, der – wie auch der Feiertag in Massachusetts – den Originaltitel „Patriots Day“ trägt, lässt Schlimmes erahnen. Doch Entwarnung: Action-Einheitsbrei, der den durchtrainierten Hauptdarsteller die gesichtslosen Mudschaheddin mit der amerikanischen Flagge aufspießen lässt, ist Boston nicht geworden. Mark Wahlberg darf an der Seite eines Allstarensembles bestehend aus Kevin Bacon, John Goodman, J.K. Simmons und Michelle Monaghan in einem zügig erzählten Thriller auf die Jagd nach den Attentätern gehen. Dabei verzichtet „Boston“ auf Religions-Bashing und gibt dem Terror ein glaubhaftes Gesicht, in dem er nicht dem Islam, sondern zwei durchgeknallten Typen die Verantwortung für diese schreckliche Tat zuschreibt. So klingt der Film auf einer versöhnlichen und liebevollen statt breitschultrigen und patriotischen Note aus.
Überraschend wurde Suda 51s Hack-and-Slash-Videospiel Let It Die Anfang Dezember letzten Jahres kostenlos im PlayStation Store veröffentlicht. Der Spieler muss sich aus Third-Person-Sicht an die Spitze eines Turms schnätzeln, der mit Zombies, Monstern und anderen hässlichen Bengeln gefüllt ist. Nach jeder Etage kann er sich per Fahrstuhl wieder zurück in den Wartebereich bringen lassen, um Gegenstände und Waffen zu craften oder die Attribute der Spielfigur zu verbessern. In „Let It Die“ wird der Spieler nicht nur mit computergenerierten Gegnern konfrontiert, sondern trifft im Multiplayer-Teil auch auf die verstorbenen Avatare anderer Spieler. Das Konzept und die witzig-morbide Optik täuschen leider nicht darüber hinweg, dass das Gameplay mit seinem simplen Schlag-Ausweich-Kämpfen schnell öde wird. +++ Capcom hat die Lücke, die das abgesagte „Silent Hills“ hinterlassen hat, geschlossen. Resident Evil 7: Biohazard ist nicht nur ein Trauma erzeugendes Horrorspektakel, sondern auch die Rückbesinnung auf die Stärken der seit über 20 Jahren existierenden Spielreihe. Zwar wird Protagonist Ethan Winters, der sich auf der Suche nach der Vermissten Mia in die Gruselvilla der durchgedrehten Baker-Familie begibt, neuerdings aus der Egoperspektive gesteuert, dafür wurde aber auf viele andere altbekannte Markenzeichen gesetzt. So gibt es die Resi-typischen Speicherpunkte inklusive Kisten, eine übersichtliche Spielwelt, die ein Verlaufen kaum möglich macht und ein Survival-Horror-Gefühl, bei dem sich jede verschossene Patrone wie ein schmerzhafter Verlust anfühlt. „Resident Evil“ ist trotz vieler Horror-Klischees besser denn je und mit diesem siebten Teil auch für Serieneinsteiger geeignet.
Nachdem der mit dem Venom-Symbionten infizierte Cletus Kasady im ersten Teil der Carnage-Sonderbandreihe vor seinen Verfolgern fliehen konnte, ist er in der zweiten Ausgabe „Das Buch der Verdammten“ noch stärker. Denn nun kann er dank des Zauberbuchs Chthon seine Opfer ebenfalls mit dem außerirdischen Symbionten infizieren und nach Belieben steuern. Die bluttriefenden Bilder scheinen aus Mike Perkins dunkelsten Fantasien entsprungen zu sein. Da passen Verweise auf H.P. Lovecraft sprichwörtlich nur zu gut ins Bild. Ein Horrortrip, für den „Auf der Flucht“ und „Alien“ gekreuzt wurden. Die kurze Zusammenfassung zu Beginn reicht, um auch als Neuling mit diesem Band Spaß zu haben. +++ Thilo Krapp hat H.G. Wells‘ Science-Fiction-Pionierroman Der Krieg der Welten in einer Graphic Novel verarbeitet. Und wo Steven Spielbergs Verfilmung von 2005 die Geschichte in das New Jersey der Gegenwart verlegte, hält sich Krapp an die Zeit und Schauplätze der Vorlage. Das ist sehr gut so, denn visuell ist das Aufeinandertreffen von Sci-Fi-Elementen und dem viktorianischen England ein fast völlig unverbrauchtes Szenario. Husaren reiten gegen die Marsianer und ihre überlegene Technik an. Das Entsetzen über die Machtlosigkeit ist den Figuren in jedem Panel anzusehen. Einerseits wirken die Zeichnungen harmlos comichaft, anderseits schonungslos brutal. Diese Gegensätzlichkeit macht den Reiz aus. Schwarzweißoptik, Sepiatöne und Grautonausflüge geben der Graphic Novel einen passend altmodischen Touch, den Wells – würde er noch leben – sicherlich mit Freude abgenickt hätte. Inhaltlich ist gegen Wells Geschichte, in der das Welten erobernde britische Empire die Rolle mit einem noch mächtigeren Gegner tauscht, sowieso nichts zu sagen.
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