Kurz & knapp #35: Jay-Z, Bison, Azad, Castlevania, Prey…
So viele Neuerscheinungen und so wenig Zeit, all diese Platten, Filme, Spiele und Comics ausführlich zu behandeln. Im Format “Kurz & knapp” bringen wir es daher auf den Punkt. Diesmal mit dabei: Public Enemy, Jay-Z, Fler & Jalil, Bison, Azad, Roosevelt, Clams Casino, Rekless & Tribes of Jizu, Crypt & Galv, Der gleiche Himmel, Castlevania, The Last Kingdom, Ultra Street Fighter II: The Final Challengers und Prey.
Auf Public Enemy ist Verlass. Seit 1987 veröffentlichen sie in mal kürzeren und mal längeren Abständen Alben, die sowohl die Einstellungen der Rapper-Kollegen als auch den Zustand der Welt anprangern. Mit „Nothing Is Quick in the Desert“ tun sie dies nun das 14. Mal auf Albumlänge. Dabei herausgekommen ist nicht nur inhaltlich, sondern auch musikalisch der bekannte Stoff. Im Vergleich zum Vorgänger „Man Plans God Laughs“ von 2015 durfte sogar Flavor Flav häufiger ans Mikrofon. Das bekommt der Platte sehr gut, die aufgrund ihrer Länge von einer knappen halben Stunde anderorts als EP durchgehen würde. Und wenn Chuck D im finalen Song fast schon obligatorisch an die verstorbenen HipHop-Legenden erinnert, weiß auch der letzte Hörer, dass diese Band keinerlei Relevanz mehr besitzt, dafür aber bewährte Ware liefert. +++ „Kill Jay Z“ läutet nicht nur Jay-Z‘ 13. Studioalbum „4:44“ ein, sondern streicht mit einem Puff-Daddy-Move auch das Leerzeichen zwischen Jay und Z. Zurück zu den Wurzeln geht Hova mit den überschaubaren zehn Tracks trotzdem nicht. Statt eines Hitfeuerwerks gibt es Produktionen von No I.D., die weniger bumsen, dafür aber musikalischer klingen. Jay-Z erklärt sich seiner Tochter („4:44“), tritt in den Dialog mit Beyoncé („Family Feud“) und macht mit Damian Marley ein bisschen Reggae („Bam“). Leider stellt sich Jay-Z selbst ein Bein, wenn er eigentlich coole Statements über die gleichgeschlechtliche Liebe mit zweifelhaften Aussagen über jüdische Geschäftsgebaren konterkariert. +++ Fler & Jalil verfeinern mit „Epic“ die aktuell hervorragend funktionierende Maskulin-Formel: Deutscher Trap, der „style over substance“ ist und dabei auf ein Gefühl baut, das der Hörer entweder versteht oder albern findet. Letzteres kommt zustande, wenn man sich nur auf die redundanten Inhalte rund um Gegnererniedrigung, billige Frauen und die Tellerwäscher-zum-Millionär-Rhetorik konzentriert. Doch das wäre ein Fehler, denn die Stärken von „Epic“ liegen in der unbestreitbaren Soundästhetik, die aus jeder Hihat, jedem Sample und jedem Satz, der für die Hook mehrfach wiederholt wird, trieft.
Die kanadische Metal-Band Bison hat mit „You Are Not The Ocean You Are The Patient“ ihr fünftes Studioalbum veröffentlicht. Darauf enthalten sind sechs Stücke, die von Anfang an losbrettern, als hätte die Hölle Tag der offenen Tür. Dabei lebt die Musik nicht von James Farwells und Dan Ands Growls, sondern von den Fähigkeiten an den Instrumenten. Der Sound soll Dämonenarmeen umklatschen, klingt aber nie plump. Komplexe Gitarrensolos, halsbrecherische Schlagzeugpatterns und der rein instrumentale Song „Kenopsia“ belegen das eindrucksvoll. +++ Azad-Fans der ersten Stunde hatten es mit ihrem Lieblings-Rapper nie leicht. Vom HipHop-Connaisseur mit Kante entwickelte er sich zum Street-Rapper mit Charteinstieg. Anschließend wurde er vergoldeter Soundtrack-Lieferant und ist nun über Umwege beim deutschen Trap angekommen. Wer jetzt die Befürchtung hat, Azads achtes Studioalbum „NXTLVL“ wird zu 100 Prozent von Stroboskop-Hihats und 808s beherrscht, kann sich entspannen. Die Platte ist durchmischt von neuen aber auch alten Sounds. Trockene Beatunterlagen finden ebenso ihren Platz wie moderne Effektabfahrten à la „Nach vorn“. Inhaltlich schlägt er immer noch zu wie „Conor McGregor“, betrauert aber auch die toten Soldaten. Azad macht sich gut auf Trap, vergisst seine früheren Stärken trotzdem nicht. Damit ist „NXTLVL“ tatsächlich spannender geraten als das Comeback-Album „Leben 2“ von 2016. +++ Zum Abschluss des Musikabschnitts gibt es noch vier kostenlose Download-Tipps: Wie eine sommerliche Cabriofahrt durch den Schwarzwald fühlt sich die Vier-Track-EP „Midnight Versions“ von Synth-Popper Roosevelt an. Lana Del Reys Lieblings-Remixer Clams Casino liefert mit dem „Instrumental Mixtape 4“ 13 Beats ab, zu denen man nicht rappen, dafür aber entspannen kann. Drei HipHop-Tracks, die mit Unterstützung einer Band aufgenommen wurden, gibt es auf der „Studiosession EP“ von Rekless & Tribes of Jizu. Unter dem Motto „One DJ & One MC“ haben Crypt & Galv die EP „50/50“ veröffentlicht, welche jede Menge Sound wie damals beinhaltet.
Bereits im März sendete das ZDF den dreiteiligen Fernsehfilm Der gleiche Himmel. Amazon Video zeigt die Produktion nun als Serie in sechs Episoden. „Der gleiche Himmel“ erzählt in mehreren Handlungssträngen Geschichten, die im Ost- und Westberlin von 1974 spielen. So mimt Tom Schilling beispielsweise einen Stasi-Agenten, der auf eine britische Datenanalystin angesetzt wird. Aber auch Themen wie Leistungssport in der DDR oder Republikflucht werden angesprochen. Für eine deutsche Fernsehproduktion leider typisch wirkt das Gesehene von der Kameraführung bis hin zu den Dialogen sehr behäbig. Dennoch versprüht „Der gleiche Himmel“ eine geschichtliche Relevanz, der man sich nicht entziehen kann. +++ Weshalb Netflix die Eigenproduktion Castlevania dagegen in eine Serie mit gerade einmal vier Episoden gesplittet hat, statt einen abendfüllenden Film daraus zu machen, ist nicht bekannt. Dem Spaß an diesem Anime über die gleichnamige Videospielreihe, tut dies keinen Abbruch. Aus Rache fällt Draculas Armee in der Walachei ein. Nur Trevor Belmont und seine Kumpanen stellen sich den Monstern in den Weg. Das ist in der Darstellung brutal, gleicht die Blutbäder aber mit viel Humor aus. Die Serie lebt von Trevor und seiner bissigen „scheiß drauf“-Attitüde. Insgesamt fühlt sich „Castlevania“ dennoch wie das Abklopfen von Möglichkeiten an, die bewusst noch nicht ausgeschöpft wurden. Netflix hat bereits eine zweite Staffel mit diesmal sogar acht Episoden angekündigt, es kann also nur besser werden. +++ Wo die erste Staffel noch eine Mischung aus „Game of Thrones“ und Historiendrama war, verliert sich die zweite Season von The Last Kingdom in zu vielen uninteressanten Nebenschauplätzen. Das ist schade, denn die Stärke der Netflix-Serie lag in der erstaunlich akkuraten Darstellung der britischen Geschichte rund um König Alfred, der mit der Abwehr der Wikinger den ersten Schritt in Richtung Vereinigtes Königreich ging.
Mit Ultra Street Fighter II: The Final Challengers hat Capcom eine Neuauflage des 1994er-Klassikers „Street Fighter II Turbo“ für die Nintendo Switch veröffentlicht. Die knapp 40 Euro, die das Spiel zum Verkaufsstart gekostet hat, sind zwar eine ganze Menge, doch dafür erlebt der Käufer eine Nostalgiesause, die ihresgleichen sucht. Das Spiel gibt die Möglichkeit, zwischen dem klassischen Pixelstil und einer modernen Comicgrafik zu wechseln. Letztere orientiert sich am Original und belebt dadurch das Gefühl von damals, ohne antiquiert zu wirken. Das Gameplay funktioniert immer noch so gut wie früher im Kinderzimmer, wurde durch Mechaniken wie „Grapple Breaks“ sogar sinnvoll erweitert. Zusätzlich gibt es mit Evil Ryu und Violent Ken zwei neue Charaktere. Dennoch müssen sich Spieler bei der derzeitigen Veröffentlichungsflut an erstklassigen Kampfspielen (Tekken 7, Injustice 2, etc.) ganz genau überlegen, ob ihnen die aufgewärmte Prügelkost, die ohne Frage gelungen ist, für einen so hohen Preis wert ist. +++ Obwohl Prey als Nachfolger des 2006 unter dem gleichen Titel erschienenen Videospiels gilt, haben beide Veröffentlichungen keine inhaltlichen Überschneidungen. „Prey“ ist ein kompletter Neuanfang, der – das Fazit vorwegnehmend – als Erfolg bezeichnet werden kann. Die Arkane Studios haben einen modernen Ego-Shooter im klassischen Gewand entwickelt, der auf Erkundung, Crafting und Atmosphäre setzt. So ist es manchmal besser, dem Gefecht gegen die Mimics, die die Raumstation Talos I übernommen haben, aus dem Weg zu gehen. Stattdessen hilft es, Materialien zu sammeln, die anschließend in Gadgets verwandelt werden können, oder auf die Suche nach Neuomods zu gehen, mit denen die Fähigkeitsbäume erweitert werden können. Das ist nicht immer actionreich, dank der Sound- und Musikkulisse aber eine nervenaufreibende Angelegenheit. In anderen Reviews oft bemühte Vergleiche mit „BioShock“ oder „Dishonored“ sind nachvollziehbar, denn sie geben wohl den besten Eindruck von einem Titel, der großartig, aber nicht für jeden Spieler geeignet ist.
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