Kurz & knapp #43: Haiyti, Ty Segall, Migos, Shape of Water, Pastewka…
So viele Neuerscheinungen und so wenig Zeit, all diese Platten, Filme, Spiele und Comics ausführlich zu behandeln. Im Format “Kurz & knapp” bringen wir es daher auf den Punkt. Dieses Mal dabei: Haiyti, Gisbert zu Knyphausen, A Boogie wit da Hoodie, Tune-Yards, Lil Wayne, Migos, Justin Timberlake, Ty Segall, Tiny Moving Parts, Shape of Water, Pastewka & Wer ist Daddy?.
Nach Jahren auf eigener Faust bringt Haiyti ihr Album „Montenegro Zero“ über das Major-Label Universal heraus. Auf den Sound hat sich die geschäftliche Entscheidung nicht ausgewirkt. Dieser rumst nach wie vor ordentlich und treibt damit auf die Tanzfläche. Inhaltlich bleibt Haiyti gewohnt unangepasst. Die Kate Moss des deutschen Raps schlüpft in Rollen, preist die Liebe an und gibt die Party-Connaisseuse. Mal singt sie dabei verletzlich, mal schreit sie einzelne Wörter heraus, mal rappt sie straight über den Beat. Dabei ist „Montenegro Zero“ so gelungen wie erwartbar. Nach unzähligen Veröffentlichungen, die gefühlt im Monatstakt erschienen sind, ist es möglicherweise zu viel verlangt, jedes Mal ein neues Rad zu erwarten. +++ „Du fragst mich, ‚Kennst du das auch? Man blickt in den Spiegel und denkt, man müsste so vieles sein‘ / Es dauert lang, bis man lernt, bis man lernt, ein Niemand zu sein“, singt Gisbert zu Knyphausen auf dem Opener seines dritten Studioalbums „Das Licht dieser Welt“. Wenige deutsche Musiker schaffen es, das Leben so schön in Worte zu fassen. Zwischen todtraurig und euphorisch beschreibt zu Knyphausen auch die kleinen Alltagssituationen. Ob begleitet von einer Akustikgitarre oder mit vollem Bläsereinsatz – die Musik fesselt dank der Texte, weshalb die beiden englischsprachigen Stücke längst nicht so eindringlich wirken wie der Rest der Platte. +++ 22 Jahre ist Rapper A Boogie wit da Hoodie jung und trotzdem versprüht sein Debütalbum „The Bigger Artist“ eine Ernsthafthaftigkeit, die ihm und seiner Musik guttun. „I can’t make no fucking promises / Lifestyle getting out of control, lifestyle getting ludicrous / I made a milli’ in less than a year and I blew that on stupid shit”, reflektiert er im Opener “No Promises”. So viel Ehrlichkeit erlaubt es ihm, auch spaßigere Songs wie „Say A‘“ zu machen. Unter den neuen Wilden gehört sein Soundentwurf trotzdem zum Konservativeren. Damit verbindet er Welten und bewirbt sich für zukünftige Großtaten.
„I Can Fell You Creep Into My Private Life“ von Tune-Yards macht es den Hörern leicht, die inhaltliche Tiefe auszublenden. Denn so tanzbar war reflektierte und sozialkritische Musik schon lange nicht mehr. „I called you up because I thought you’d see it my way / I looked for freedom and I found it on the highway / No other option so I’m peeling out the driveway“, singt sich Merrill Garbus wie eine Disco-Diva durch die zwölf Stücke. Die Musik der Tune-Yards setzt auf Synthesizer und Drumloops, klingt dennoch funky und warm. +++ Einen Monat nach „Dedication 6“ legt Lil Wayne mit dem Mixtape „Dedication 6: Reloaded“ nach. Und die Hörer bekommen das, was sie an dem Rapper lieben: Punchlines, die er offensichtlich im Weltraum schrieb. Zwischen jedem der 20 Anspielpunkte interviewt sich Wayne selbst. Beim ersten Hördurchgang ist das Philosophieren über Basketballmannschaften, die verrücktesten Geschenke, die er von Drake und Nicki Minaj je bekam und die Bedeutung der „Dedication“-Serie unterhaltsam, aber schon beim zweiten Mal nervt es. +++ Über mangelnden Erfolg brauchen sich die Migos nicht zu beschweren. Auch ihr drittes Album „Culture II“ ist auf Platz 1 der US-amerikanischen Albumcharts eingestiegen. Musikalisch hat sich das Trio um die Rapper Offset, Quavo und Takeoff keine Experimente erlaubt. Die 24 Songs bedienen den Sound der Stunde, erschlagen mit einer Gesamtspielzeit von 105 Minuten aber auch. Hits wie „Narcos“ oder „Stir Fry“ haben es schwer aus der Masse an repetitiven Songs herauszustechen.
Was mit dem Opener „Filthy“ futuristisch beginnt, entwickelt sich im Laufe des Albums zu einer Besinnung auf traditionelle Klänge. „Man of the Woods“ ist Justin Timberlakes Versuch „Southern American Music“ einen modernen Anstrich zu verpassen. Dafür schnappte er sich Blues-, Country- und Soul-Elemente, die er sich von den Neptunes zu einem eingängigen und tanzbaren Album zusammenschustern ließ. Das klingt mal flanellhemdsärmelig („Man of the Woods“) und mal nach edlem Zwirn („Higher Higher“). Wer große Experimente erwartet, wird trotzdem enttäuscht. Am Ende ist Timberlakes fünftes Studioalbum immer noch eine aalglatte Popplatte, die für die Charts gemacht wurde. +++ Ty Segalls kreative Schaffenskraft während der Arbeit am zehnten Studioalbum „Freedom’s Goblin“ muss unerschöpflich gewesen sein. Anders lassen sich die 75 Minuten, die mit unzähligen Ideen vollgestopft sind, nicht erklären. Segalls Garage-Rock klingt wie die Platten der Eltern, schafft es aber trotz Siebziger-Jahre-Vibe eigene Akzente zu setzen. Einmal singt er sich mit zerbrechlicher Stimme durch das reduzierte „Rain“, das andere Mal klingt er auf „Despoiler of Cadaver“ als hätte er den Song mit Sonnenbrille und Lederjacke aufgenommen. „Freedom’s Goblin“ ist ein Albumbrocken, der rotzig, aber auch warm und voller Seele ist. +++ „There’s no warmth in the tundra”, singt Dylan Mattheisen im Chorus von “Wishbone”, um in der nächsten Zeile etwas genauer auf seine Mitmenschen einzugehen: “There’s no hope in a heart that doesn’t beat“. Tiny Moving Parts graben auch auf Album Nummer Drei ganz tief in der Gefühlskiste. Dabei ist „Swell“ immer noch lupenreiner Emo-Punk, der im Vergleich zum Vorgänger „Celebrate“ etwas aggressiver ausgefallen ist. Aber keine Sorge: Stücke wie „Applause“, „Warm Hand Splash“ oder „Malfunction“ lullen mit ihren Melodien trotzdem ein, bis der Hörer wieder zehn Jahre jünger ist und anfängt alles mit einem hoffnungslos romantischen Blick zu sehen.
Für 13 Oscars ist Guillermo del Toros Fantasyfilm Shape of Water – Das Flüstern des Wassers nominiert. Und das zu Recht, denn die Liebesgeschichte zwischen einer Reinigungskraft und einem fremden Wesen, das für Experimente festgehalten wird, ist in allen Belangen einzigartig. Die Romanze bricht mit Kinokonventionen, das Setting der Sechziger Jahre wirkt unverbraucht und die Protagonisten fallen mit einer stummen Frau und einer Figur, die durch Motion-Capturing zum Leben erweckt wird, ungewöhnlich aus. Trotzdem funktioniert „Shape of Water“ in jeder Sekunde, da der Film weiß, in welchen Momenten er auf Emotionalität, Witz oder explizite Darstellungen setzen muss. +++ Zwischen 2005 und 2014 liefen auf Sat. 1 sieben Staffeln von Pastewka. Wie es der Name bereits verrät, geht es in der Comedy-Serie um Bastian Pastewkas Leben, seine Familie und seine Marotten, die ihm immer wieder Ärger einhandeln. Als vor vier Jahren Schluss war, war die Trauer unter der Fangemeinde groß. Dank des Streaming-Services Amazon Prime Video geht es nun aber mit einer achten Staffel weiter. Und die setzt zumindest inhaltlich dort an, wo die siebte Season endete. Der Ton der zehn Episoden ist hingegen derber: Mehr nackte Haut, mehr Pippikackafickificki-Witze und Geschichten, die sich schneller und vor allem dramatischer entwickeln als bisher gewohnt. Wer „Pastewka“ mochte, wird auch Staffel 8 komplett sehen wollen. An die Qualitäten von früher, die sich aus einem vermeintlichen Realismus gespeist haben, kommt diese aufgedrehte Season leider nicht heran. +++ Ein Zwillingspaar – gespielt von Owen Wilson und Ed Helms – treibt eine Frage um: Wer ist Daddy? In der Komödie des „Hangover“-Regisseurs Lawrence Sher begibt sich das ungleiche Brüdergespann auf eine Reise durch die USA, um abzuklopfen, ob J.K. Simmons, Terry Bradshaw oder Christopher Walken darauf Antworten geben können. Dabei zünden nur wenige Gags, was durch eine Geschichte erschwert wird, die nicht nur einfallslos klingt, sondern auch so umgesetzt wurde. Wenigstens stimmt die Chemie zwischen Owens und Helms, die es ansatzweise schaffen, den Zuschauer durch die knapp zwei Stunden zu tragen.
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