Kurz & knapp #45: Nipsey Hussle, Rejjie Snow, Turnstile, Black Panther…
So viele Neuerscheinungen und so wenig Zeit, all diese Platten, Filme, Spiele und Comics ausführlich zu behandeln. Im Format “Kurz & knapp” bringen wir es daher auf den Punkt. Dieses Mal dabei: Nipsey Hussle, New Native, Rejjie Snow, Turnstile, Sam Vance-Law, Rolo Tomassi, Steig.Nicht.Aus!, Everything Sucks!, The End of the F***ing World, Batman: Gotham by Gaslight, Black Panther & One Day at a Time.
Mit den Worten “2Pac of my generation“ vergleicht sich Nipsey Hussle auf dem Song „Dedication“ mit einem Rapper, der von vielen als der Größte aller Zeiten bezeichnet wird. 2010 wurde der aus Los Angeles stammende Musiker Teil der „XXL Freshman“-Klasse. Erst acht Jahre später erscheint sein Debütalbum „Victory Lap“. Vermutlich möchte Nipsey diese Zeit aufholen und startet die Platte mit „Rap Niggas“ und „Last Time That I Checc’d“ aggressiver, als es heutzutage üblich ist. Erst im Laufe der 16 Stücke traut er sich mit Liedern wie „Blue Laces 2“ oder „Real Big“ handzahmere Töne anzustimmen. „Victory Lap“ lebt von Nipseys druckvoller Stimme und der Melange aus modernen und klassischen Hip-Hop-Sounds. Das Warten hat sich gelohnt! +++ „Asleep“ von New Native klingt so harmlos wie ein Drahtseilakt mit Fallschirm. Die vier Wiener machen Indierock mit ganz viel Emo-Einschlag. Dabei plätschern die elf Songs so beiläufig dahin, dass nur wenig hängenbleibt. Kernig geht anderes, „Asleep“ ist aber trotzdem hörenswert. Denn die Musik unterstützt den Hörer dabei, sich in den eigenen Gedanken zu verlieren. Und die sind wie die Musik: Melancholisch bis traurig. +++ Dass aus dem kalten Dublin der wärmste Sound der aktuellen Saison kommt, hätte niemand erwartet. Rejjie Snows Mixtape „The Moon & You“ von 2017 ist noch nicht verdaut, da legt er mit dem Debütalbum „Dear Annie“ schon nach. Auf eine Spielzeit von einer Stunde wagt sich der Rapper und Sänger an Funk, Pop und französische Chansons heran. Was er stimmlich nicht packt, wird von zahlreichen Gästen erledigt. Rejjies Raps sind simpel, entfalten aber gerade dadurch eine Coolness, die zu seiner tiefen Brummstimme passt. „Dear Annie“ ist ein Album für den Frühling, das sich gerade nebenher auf Dauerschleife genießen lässt.
Wer auf „Time & Space“ mit einem rücksichtslosen Abriss rechnet, wird enttäuscht. Turnstile gehen auf ihrem zweiten Album zwar so feinfühlig wie mit einem Schlagbohrer vor, doch die Hardcore-Band beweist auf den 25 Minuten, dass sie auch anders kann. Gesang trifft auf jazzige Elemente – Stücke wie „Moon“ sind fast schon melodiöser Alternative. Wer seinen Hardcore musikalisch etwas durchdachter mag, wird mit den fünf Herren aus Baltimore glücklich werden. +++ Auf den zehn Stücken von „Homotopia“ erzählt Sam Vance-Law mit bewundernswerter Offenheit seine Geschichte als schwuler Mann. „I already had a date / a girl called Elizabeth / but she and I didn’t really get along”, beschreibt er auf “Wanted To” die High-School-Zeit, in der er begann, sein Liebesleben aktiver zu gestalten. Doch “Homotopia” ist inhaltlich nicht nur unschuldiger – von Konstantin Gropper erwartungsgemäß pompös instrumentierter – Pop. In “Faggot” beschreibt der Kanadier schmerzhaft den gesellschaftlichen Druck, dem er sich mit dem Outing aussetzte: „I guess I could go and get corrective therapy / find a pretty girl and start a normal family / then climb in my bathtub and slit my wrists / cause i’m a faggot“. Sam Vance-Law bringt diese Themen auf eine so lockere Art herüber, dass “Homotopia” für alle Menschen interessant ist. Denn das Album gibt Kraft, sorgt für Verständnis und macht jede Menge Spaß. +++ Wikipedia ordnet Rolo Tomassi dem Jazzcore zu. Und auch wenn gewisse Stilrichtungen eher mit fließenden Übergängen als klaren Absteckungen verwirren, passt diese Begrifflichkeit perfekt zur Musik der fünf Engländer. Denn was auf den 50 Minuten ihres fünften Studioalbums „Time Will Die and Love Will Bury It“ geschieht, lässt sich nicht plump als Hardcore bezeichnen. Zwar grunzt sich James Spence durch einen Großteil der zehn Stücke, doch mit seinem Keyboard gibt er der Musik immer wieder melancholische Momente. Eva Spence unterstreicht das mit ihrem verletzlichen Gesang und macht aus dem Geschwisterpaar Teufelchen und Engelchen, die sich auf die Schultern der Hörer setzen. Rolo Tomassi machen Musik, die sich nicht einfach wegkonsumieren lässt, sondern bewusst gehört werden muss.
Regisseur, Drehbuchautor und Produzent Christian Alvart, der bereits „Tschiller: Off Duty“ in den Sand setzte, hat mit Steig.Nicht.Aus! den nächsten zweifelhaften Film zu verantworten. Darin schickt er Wotan Wilke Möhring auf einer fahrenden Bombe durch Berlin. Leider wurde aus der interessanten Prämisse nichts gemacht. Logiklöcher, Laiendarsteller und fehlplatzierte Effekte provozieren immer wieder zu ungewollten Lachern. Einzig und allein die Leistungen von Möhring und Emily Kusche, die die Tochter spielt, sind ein Lichtblick in diesem Action-Thriller, der bis zum Schluss krampfhaft spannend und wendungsreich sein möchte. +++ Die Netflix-Serie Everything Sucks! auf ihren Stil zu reduzieren, würde ihr nicht gerecht werden. Denn die Neunziger-Jahre-Kulisse mit all ihren Gags und Anspielungen auf die Zeit, in der die Zielgruppe selbst noch jugendlich war, ist nur das Kostüme, in dem eine ernsthafte Geschichte steckt. Die erste Liebe, High-School-Hierarchien und das Erforschen der eigenen Sexualität sind Themen, die unverbraucht und humorvoll verarbeitet werden. Der eine oder andere Nebencharakter hätte zwar etwas stärker beleuchtet werden können, so haben sich die Macher aber Stoff für eine zweite Staffel aufgehoben. +++ Der 17-jährige James glaubt ein Psychopath zu sein. In der rebellischen Klassenkameradin Alyssa sieht er ein erstes Mordopfer. Doch es kommt anders. Statt sie mit seinem Jagdmesser aufzuschlitzen, werden sie ein Paar und rennen von zuhause weg. The End of the F***ing World erzählt die derbe Geschichte von zwei Jugendlichen, die versuchen ihr Inneres zu ergründen. Die Netflix-Serie lebt von ihrem charismatischen Protagonisten-Pärchen, das von Alex Lawther und Jessica Barden routiniert gespielt wird. Lawther hat Probleme Emotionen zu zeigen, was durch Bardens kompromisslose Direktheit zu herrlichen Dialogen führt. Wie eine junge Version von Bonnie & Clyde erzeugen sie trotz allem Wahnsinn Sympathien.
Während Batman und Co. im Kino mit Live-Action-Filmen enttäuschen, wird der Home-Video-Markt mit dem 30. Animated Original Movie beglückt. Denn gezeichnet machen die Superhelden von DC Comics immer noch am meisten Spaß. Batman: Gotham by Gaslight ist die Umsetzung der gleichnamigen One-Shot-Graphic-Novel von Brian Augustyn and Mike Mignola. Darin wird die Geschichte rund um den Dunklen Ritter in das viktorianische Zeitalter verlegt. Entsprechend macht sich Batman nicht auf die Jagd nach dem Joker, sondern nach Jack the Ripper. „Gotham by Gaslight“ ist ein brutaler Film, der bis zum finalen Twist ohne Überraschungen auskommt. Die englischsprachige Synchronisierung von Bruce Greenwood und Jennifer Carpenter geben der lahm erzählten Geschichte jedoch das Feuer, das es braucht, um den Zuschauer über die 78 Minuten bei der Stange zu halten. +++ Mit Black Panther ist das Marvel Cinematic Universe volljährig geworden. Und die Geburtstagsfeier kann als Erfolg gewertet werden. Der 18. Film des Kinouniversums bricht Einspielrekorde und erhält fast durchweg positive Kritiken. Hauptfigur T‘Challa – König des afrikanischen Staates Wakanda – trat erstmals in „Captain America: Civil War“ auf. Superheldenkost in altbekannter Form liefert „Black Panther“ trotzdem nicht. Die Welt rund um das wohlhabende Land ist erfrischend divers, verbindet Science-Fiction-Optik mit Elementen afrikanischer Kultur. Die Handlung, die immer wieder verdeutlichen möchte, dass Reichtum Verantwortung mit sich bringt, wirkt zwar wie mit dem Holzhammer vermittelt, in Zeiten wie diesen ist das aber der richtige Ansatz. Lediglich die teils billig wirkenden CGI-Effekte reißen aus diesem beeindruckenden Blockbusterfilm heraus. +++ Mit 13 neuen Folgen ging die Netflix-Sitcom One Day at a Time Anfang des Jahres in die zweite Staffel. Und auf das, was in der ersten Season funktioniert hat, wird noch stärker gesetzt: Kritik am System, Familie als Lebensanker und Culture-Clashing. Das hat nach wie vor mehr Tiefe als ein „Fuller House“, übertreibt es aber gerade mit den tränenreichen Szenen.
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