Kurz & knapp #62: Young Thug, 6ix9ine, Prince, The Stone King, Batman…
So viele Neuerscheinungen und so wenig Zeit, all diese Platten, Filme, Spiele und Comics ausführlich zu behandeln. Im Format “Kurz & knapp” bringen wir es daher auf den Punkt. Dieses Mal dabei: Young Thug, Mark Knopfler, The Diplomats, ClickClickDecker, Art Brut, 6ix9ine, Fler, Prince, Masta Ace & Marco Polo, Sasco, Sickless, Life Is Strange, The Stone King & Batman: Damned.
Auf „Slime Language“ liefert Young Thug ein Autotune-Inferno ab, das die Grenzen zwischen Rap und R’n’B verschwimmen lässt. Die melodieverliebte Zielgruppe wird freudig zuschlagen, der Rest wendet sich wie gewohnt ab. Da sich die Platte nicht Solo-, sondern Compilation-Album schimpft, enthalten 13 der 15 Songs Gastbeiträge von Rappern wie Lil Duke, Lil Uzi Verte, Lil Baby und vielen anderen Lils. +++ Auch auf seinem neunten Soloalbum „Down the Road Wherever“ klingt Mark Knopfler wie Mark Knopfler seit Jahrzehnten klingt. Fans freuen sich über ausufernde Stücke, die von Knopflers markanter Stimme leben und den Instrumenten viel Zeit einräumen. Der Rest muss sich durch eine Reihe langweiliger Lieder kämpfen, bevor Höhepunkte wie „Trapper Man“, „Good On You Son“ oder „Drover’s Road“ doch noch überzeugen. +++ Anfang bis Mitte der Zweitausender beherrschten die Diplomats das Rap-Game. Pro Tag veröffentlichten sie gefühlt fünf Mixtapes, von denen jedes Maßstäbe in Sachen ignoranter Punchlines setzte. Dann war plötzlich Schluss und jüngere Rapper überholten Cam‘ron und Co. Mit dem Album „Diplomatic Ties“ versuchen sie nun den Glanz alter Tage heraufzubeschwören. Dabei nutzen sie käsigen Samples (Queens „Who Wants To Live Forever“), ständige Verweise auf das eigene Erbe und einen Jim Jones, der sich vom Strippenzieher im Hintergrund zum Rückgrat der Gruppe entwickelte. Auf Albumlänge fällt das nur bedingt spannend aus. Für eine Reminiszenz bietet sich „Diplomatic Ties“ dennoch an.
ClickClickDecker bleibt seinem melancholisch-harmonischem Sound auch auf „Am Arsch der kleinen Aufmerksamkeiten“ treu. „Die Miete frisst uns auf, ich bin froh, dass ich dich hab“, heißt es auf „Palmaille“. Aus dem Kontext gerissen, klingt das wenig romantisch. ClickClickDecker verwandelt Alltagsbeobachtungen trotzdem in gefühlsbetonte Symphonien, die sich irgendwo zwischen Schwermut und Leichtfüßigkeit einpendeln. +++ Sieben Jahre vergingen seit dem letzten Album der Wahlberliner Art Brut. Nun erschien mit „Wham! Bang! Pow! Let’s Rock Out!“ die fünfte Platte und darauf beweist Sänger Eddie Argos, dass er über sich selbst am besten lachen kann. „Last night I dreamt / We won the Mercury Music Prize / Our parents were proud / But a little surprised”, singt er in “Kultfigur”. Der Art Punk fällt nach wie vor tanzbar aus, erinnert auf einem “I Hope You’re Very Happy Together” mit Synthesizer und Trompeten sogar an die kalifornischen Ska-Punks Aquabats. Comeback geglückt! +++ 6ix9ines Zukunft sieht nicht rosig aus. Wegen schwerwiegenden Delikten droht dem 22-jährigen Rapper lebenslange Haft. Zumindest erhält er dadurch unfreiwillige Werbung für sein Debütalbum „Dummy Boy“. Wer sich auf den gewohnt aggressiven Schreihals freut, wird enttäuscht. 6ix9ine gibt sich auf den 13 Anspielpunkten handzahmer, öffnet sich mit Features von Kanye West und Nicki Minaj sogar dem Mainstream. Die gute halbe Stunde fällt mehrdimensionaler als das Vorgänger-Mixtape „Day69“ aus. +++ Bevor Fler nächstes Jahr mit „Colucci“ sein 15. Soloalbum veröffentlicht, haut er als Antwort auf Farid Bangs „Nurmagomedov EP“ die „Connor EP“ raus. Darauf enthalten sind drei Tracks, die mit Streichern und „Flizzy“-Drums den Bogen von „Carlo Cokxxx Nutten“ zum heutigen Sound schlagen. Macht Lust auf das Album.
Intim und ungeschliffen klingt die Performance, die Prince auf dem Akustikalbum „Piano & A Microphone 1983“ abliefert. Die neun Songs nahm der 2016 verstorbene Musiker vor seinem weltweiten Durchbruch im Jahre 1984 auf. Dass da ein Star in der Mache am Piano sitzt, hört man jedem Ton an. So blitzen spätere Großtaten beispielsweise in der eineinhalbminütigen Blaupause von „Purple Rain“ durch. +++ Masta Ace & Marco Polo wählten für ihre gemeinsame Platte den perfekten Titel. „A Breukelen Story“ erzählt zwischen den Songs hörspielhaft, wie Polo Anfang der Zweitausender für den Traum vom Berufs-Hip-Hopper nach New York zog. Die Lieder gehen thematisch darauf ein, ohne sich dem Konzept vollständig zu unterwerfen. Wer das Duo kennt, weiß, was ihn erwartet: Boombap-Beats, Cuts in der Hook und jede Menge Bars. Ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk für Rap-Puristen. +++ Auf „Hope River“ zeigt Sasco, was das Genre Reggae zu leisten im Stande ist. Von Trompeten („They Will Rob You“) bis Streichern („My Song“) fährt er alles auf, was die Populärmusik zu bieten hat. Stücke wie „Mama Prayed“ beweisen zudem, dass in seiner kratzigen Stimme ordentlich Power steckt. Besser kann Werbung für die jamaikanische Volksmusik, die erst vor kurzem zum Weltkulturerbe ernannt wurde, nicht klingen. +++ Zum Abschluss des Musikabschnitts noch ein Tipp für Deutschrap-Fans: Fernab von Trap und Autotune rappt Sickless auf der „Beta EP“ über den desolaten Zustand dieser Welt. Die bisher gelungenste Veröffentlichung eines Musikers, der zu Unrecht unter dem Radar fliegt.
Videospielentwickler Dontnod Entertainment hält die Geschichte von Max und Chloe für auserzählt, weshalb sie im zweiten Teil mit Sean und Daniel neue Hauptdarsteller einführten. Worin also die Daseinsberechtigung der offiziellen Comicserie zu Life Is Strange besteht, müssen Autorin Emma Vieceli und Zeichnerin Claudia Leonardi erst noch beweisen. Die erste von vier Ausgaben setzt ein Jahr nach den Ereignissen des Spiels ein. Max und Chloe überlebten die Katastrophe, die Arcadia Bay zerstörte. Doch Max‘ übernatürlichen Kräfte ruhen nicht, weshalb das Duo von der Vergangenheit eingeholt wird. Die Zeichnungen orientieren sich an der Spielgrafik, ähneln dem Aussehen der Charaktere aber kein Stück. Hoffentlich fängt das zweite Heft die Magie des Videospiels besser ein. +++ Amazons digitaler Comicverkauf ComiXology veröffentlichte mit The Stone King eine plattformexklusive Miniserie. Angesiedelt in einer Fantasy-Welt, muss ein rebellischer Jugendlicher Verantwortung für sich und seine Mitmenschen übernehmen. Die erste von vier Ausgaben beginnt mit einem actionreichen Abenteuer, das an das Videospiel „Shadow of the Colossus“ erinnert. Ein verwaschener Zeichenstil und spärlich eingestreute Texte runden den Beginn einer vielversprechenden Reihe ab. +++ Unter dem Imprint Black Label möchten DC Comics Miniserien veröffentlichen, die sich an ein erwachsenes Publikum richten. Batman: Damned macht den Anfang und sorgt dank Bruce Waynes entblößtem Penis für Gesprächsstoff. Doch auch darüber hinaus lohnt die von Brian Azzarello geschriebene und von Lee Bermejo gezeichnete Geschichte. Wer nicht glaubt, dass der dunkle Ritter noch düsterer kann, wird sich über diesen Fiebertraum von einem Comicheft erschrecken. Panels wie Gemälde unterstreichen die Qualität dieser beängstigenden Veröffentlichung.
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