Kurz & knapp #72: Van Holzen, The Get Up Kids, Fighting With My Family…
So viele Neuerscheinungen und so wenig Zeit, all diese Platten, Filme, Spiele und Comics ausführlich zu behandeln. Im Format “Kurz & knapp” bringen wir es daher auf den Punkt. Dieses Mal dabei: Clowns, Rico Nasty, Curly, An Horse, sarajane, Delhia de France, Van Holzen, The Get Up Kids, The Physics House Band, Guava Island & Fighting With My Family.
Wer nicht genau hinhört, hält Clowns für eine weitere Band mit ordentlichen, aber schon zigmal gehörten Punkrocksongs. In „Nature/Nurture“ steckt aber viel mehr. Die elf Stücke strotzen vor Ideen. Ob der Einsatz einer Sitar, Texte über mentale Gesundheit oder der Background-Gesang von Bassistin Hanny J – es ist nicht verwunderlich, dass Genre-Gigant Fat Wreck Records die Australier zur Unterschrift bewegte. +++ Trotz ihrer 21 Jahre hat Rico Nasty mehr geschaffen als so mancher Veteran. Seit 2014 veröffentlicht die Rapperin unaufhörlich Mixtapes, Singles und Gastverse. Die neue Mischkassette „Anger Management“ mit Produzent Kenny Beats ist der vorläufige Höhepunkt ihrer Diskografie. Auf den kurzweiligen 18 Minuten spuckt sie Game-Übernahmefantasien über basslastige Instrumentals. Das funktioniert dank ihrer aggressiven Delivery durchgängig. Auf Stücken wie „Sell Out“ stimmt sie aber auch ruhigere Töne an. Es wird Zeit für ein Debütalbum. +++ Auf „Ohaaa“ frönt Curly dem guten Leben: Pizza, Gras und gelegentlich Suff im Club. Inhaltlich bleibt der Rapper damit zwar eindimensional, musikalisch überzeugen die acht Tracks trotzdem. Das moderne Soundgewand inklusive verschwenderischem Autotune-Einsatz fetzt. Curly weiß, was er tut und liefert dementsprechend 24 kurzweilige Minuten ab.
Sechs Jahre pausierten An Horse, um sich von endlosen Touren und persönlichen Schicksalsschlägen zu erholen. Verlernt haben die Australier trotzdem nichts. Auf ihrer dritten Platte „Modern Air“ spielt das Duo Indierock, der mit Elektro-Experimenten („Bob Ross (Be The Water)“) und Streicher-Piano-Stücken („Mind Reader“) abwechslungsreicher denn je klingt. Das Comeback gilt als geglückt. +++ sarajane bezeichnet ihre Musik als „High Energy Soul“. Auf dem Album „Fuel“ klingt das allerdings wie handelsüblicher Pop. Die Hochglanzproduktionen können sich dennoch hören lassen, da sie mit Reggae-, EDM- und Akustik-Ausflügen stilschwanger ausfallen. Lebensbejahende Musik, deren Stärke in ihrer Eingängigkeit liegt. +++ Auf der EP „Oceanide“ verschreibt sich Delhia de France erneut antiken Göttermotiven. „Ich mag die Metaphorik der griechischen Mythologie, wie sie weltliche Konzepte poetisch darstellt und das alltäglich Banale und die Natur würdevoll und göttlich macht“, erklärt sie das Konzept in der Presseinfo. Die vier Stücke lassen sich aber auch ohne dieses Wissen genießen. Mit bedächtiger Stimme singt Delhia über elektronisch angehauchte Instrumentale, die auf der zweiten EP-Hälfte durch stampfende Drum-Patterns ergänzt werden. Der Grundton ist dennoch ein ruhiger. Sphärischer Pop für Frühlingsgewitter.
Auf ihrem zweiten Album „Regen“ spielen Van Holzen zwar mehr Melodien, entfernen sich trotzdem nicht von schweren Gitarren und bedeutungsschwangeren Texten. „Ich und meine Freunde haben Angst / Weil jeder von uns alles haben kann / Ich glaube nicht daran“, heißt es in „Alle meine Freunde“ und klingt wie der unpeinliche Soundtrack der Generation Fridays For Future. Das Abitur hat die Band mittlerweile in der Tasche, jung ist sie immer noch. Eine Rolle hätte das Alter aber schon bei der ersten Platte nicht spielen sollen. Denn musikalisch und inhaltlich so gutgemachte Rockmusik kriegt selbst ein Großteil der alten Garde nicht hin. +++ Acht Jahre nach ihrem letzten Album legen The Get Up Kids nach. „Problems“ klingt trotzdem wie ein nahtloser Anschluss. Hymnische Refrains, Matt Pryors charismatische Stimme und eingängige Melodien zeichnen den Emo-Rock des Quintetts nach wie vor aus. Inhaltlich ist die größte Veränderung auszumachen. Statt jugendliche Texte über die Verflossenen singt Pryor über Ängste und Verluste. Willkommen zurück! +++ Zum Abschluss des Musikabschnitts noch ein Tipp für Fans von Instrumentalmusik: The Physics House Band vermischt auf ihrer EP „Death Sequence“ Post-Rock mit Jazz. Verkopfte und doch leicht verdauliche Klänge, die herausfordern und Spaß machen.
Die Menschen auf Guava Island genießen ihr paradiesisches Leben, bis das Eiland von einer großen Firma vereinnahmt und die Bewohner_innen zu Leibeigenen macht. Der von Donald Glover gespielte Deni lässt sich davon nicht unterkriegen. Er hält sich lieber an seiner Musik und Liebe (zurückhaltend gemimt von Rihanna) fest. „Guava Island“ ist ein 55-minütiger Musical-Film der einen Glover in Bestform zeigt. Das wunderschöne Kuba als Kulisse rundet den kurzweiligen Film ab. +++ Fighting With My Family erzählt die wahre Geschichte von Wrestlerin Paige, die mit 18 Jahren von England in die USA zog, um Karriere in der WWE zu machen. Die von Stephen Merchant („Logan – The Wolverine“, „Hot Fuzz“) gedrehte und geschriebene Filmbiografie überzeugt durch eine Feelgood-Geschichte in einem unverbrauchten Setting. Originalaufnahmen von Paiges Familie im Abspann zeigen, wie viel Wert Merchant auf Details legte. Vince Vaughn und Dwayne „The Rock“ Johnson sorgen neben der hervorragenden Protagonistin Florence Pugh für den nötigen Star-Appeal. Aufgrund der zum Teil Fremdscham erzeugenden Synchronisation empfehlen wir allerdings ein Schauen im Originalton.
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