Kurz & knapp #73: Martha, Oh Land, Fury, DJ Khaled, Alex Mofa Gang…
So viele Neuerscheinungen und so wenig Zeit, all diese Platten, Filme, Spiele und Comics ausführlich zu behandeln. Im Format “Kurz & knapp” bringen wir es daher auf den Punkt. Dieses Mal dabei: Martha, King Gizzard & The Lizard Wizard, Field Medic, Jack Waterson, Oh Land, Fury, Agent blå, DJ Khaled, We Never Learned To Live, Alex Mofa Gang & Fjarill.
Liebenswerter als auf Marthas „Love Keeps Kicking“ kann Pop-Punk kaum sein. Die elf Stücke geben die Gewissheit, dass wir das Leben trotz aller Hindernisse meistern werden. Mit Country-Elementen und Gitarren, die sich auch im Indie-Rock wohlfühlen, singen J.C. Cairns und Daniel Ellis bis es nicht mehr schmerzt. „I think I’ll work from home today / I feel like quitting anyway“, heißt es auf „Heart Is Healing“. Eine Rockmusikperle, die deutlich mehr Aufmerksamkeit verdient. +++ Dass King Gizzard & The Lizard Wizard Arbeitstiere sind, beweist ein Blick auf ihre Diskografie. In neun Jahren veröffentlichte die Psychedelic-Rockband 14 Alben, zwei EPs und zig Singles. Mit „Fishing For Fishies“ zeigen die Australier trotzdem keine kreativen Ermüdungserscheinungen. Im Gegenteil: Die neun Stück fallen so eingängig wie experimentell aus. Der Titeltrack beginnt mit einer Mundharmonika, der Rausschmeißer „Cyboogie“ endet mit elektronischen Elementen. Vielseitiger Boogie-Rock, der sich zwischen Blues und Garage einen Weg ins Ohr bahnt. +++ “I need a cigarette / Those fuckers talked over my whole set / But I don’t have any time to reflect / I gotta sell some shirts to try and make the rent”, lauten die ersten Zeilen auf Field Medics “Fade Into The Dawn”. Immer auf Reisen, immer einen Schnaps zu viel im Blut – der Folk-Rocker singt über die Schatten- und Sonnenseiten des Künstlerlebens. Bewaffnet mit Akustikgitarre und Banjo versucht der 28-Jährigen nicht einmal, seinen Zynismus zu verbergen. Schönere „scheiß-drauf“-Musik gibt es nicht.
Auf dem Debütalbum “Adrian Younge presents Jack Waterson” spielt sich Jack Waterson durch einen halbstündigen Mix aus Acid- und Psych-Rock, der auch Hip-Hop- und Musical-Einflüsse zulässt. Im Mittelpunkt stehen keine einzelnen Popsongs, sondern ein Gesamtkunstwerk, das seine Wirkung erst mit den richtigen Kopfhörern entfaltet. Was das alles soll, begreifen nur die Wenigsten. Dass das alles ganz wunderbar klingt, bestätigen dagegen die Allermeisten. +++ “I used to love you / Now I doubt it all / That’s what you said”, lauten die ersten Zeilen auf “Family Tree” von Oh Land. Die Dänin beschäftigt sich mit der Liebe, die nicht immer so handzahm wie ihre Musik ist. Piano, Streicher und elektronische Elemente bauschen die zwölf Stücke zu orchestralem Indie-Pop auf, der raumfüllend und verträumt zugleich ist. Mit dem fünften Studioalbum perfektioniert Oh Land ihre Formel endgültig. +++ Vom Sonnenschein Kaliforniens lassen sich Fury nicht anstecken. Auf „Failed Entertainment“ klingt ihr Hardcore-Punk dreckig wie ein Großstadt-Moloch an der Ostküste. Riffs stehen im Vordergrund und Gang-Shouts werden sparsam, aber effektiv eingesetzt. Obwohl die Stücke langsamer als der Hardcore-Durchschnitt ausfallen, knüppeln sie ordentlich. „Failed Entertainment ist Gesellschaftskritisch und laut. So muss Hardcore sein.
Mit ihrem zweiten Album „Morning Thoughts“ schrauben Agent blå weiter am Ruf, die Zukunft des schwedischen Indie-Pops zu sein. Sie selbst bezeichnen ihren wolkenverhangenen Shoegaze-Sound als „Death Pop“. Sängerin Emelie Alatalo singt über Herz-, Welt- und Abschiedsschmerz ohne in Klischees abzudriften: „I accidentally fell in love with someone else“. Starker nächster Schritt einer Band, die sich immer weiter von der Masse absetzt. +++ Wenn DJ Khaled ruft, kommen sie alle – auch für sein elftes Studioalbum „Father Of Asahd“. Die Gästeliste reicht von Alteingesessenen wie Nas und Jay-Z bis zu frischen Helden wie 21 Savage und Travis Scott. Wie viel Kreativarbeit der sympathische Geschäftsmann selbst beisteuerte, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen. Khaled fungiert vielmehr als Dirigent, der die 15 Stücke durch seinen Geschmack und sein Telefonbuch zusammenhält. Die Rolle des ausführenden Produzenten hat er verinnerlicht wie kein anderer. Als Albumerfahrung funktioniert „Father Of Asahd“ trotzdem nur bedingt – Hits bietet die Platte dafür umso mehr. +++ Post-Hardcore nach Maß liefern We Never Learned To Live. Auf ihrem zweiten Album “The Sleepwalk Transmissions” verbinden die Briten Härte mit Eingängigkeit: Gewaltige Riffs treffen auf Seán Mahons Klargesang. Damit bedient das Quintett zwar Genre-Standards, erledigt den Job dafür handwerklich hervorragend.
„Ich schreib dir alles auf, mach einen Song und ein Buch daraus“, begrüßt Sascha Hörold die Hörer auf dem dritten Album der Alex Mofa Gang. Neue Geschichten erzählen die Punkrocker auf „Ende offen“ trotzdem nicht. Stattdessen singen sie die alten Lieder über Liebe, Gesellschaft und Politik. Das erledigen sie jedoch musikalisch so zugänglich und inhaltlich so nachvollziehbar, dass die zwölf Stücke weit über die Punkrockszene hinaus Fans finden werden. Für die „Hater“, die mit der Massentauglichkeit nichts anfangen können, liefert das Quintett die entsprechende Antwort: „Ich hab für euch an jeder Hand fünf Mittelfinger dabei.“ Die zum Genre passende „Scheiß drauf“-Mentalität hat die Band trotz Ohrwurm-Refrains und massentauglicher Melodien nicht verloren. Laute E-Gitarrenmomente versteht die Alex Mofa Gang mittlerweile als Stilmittel, das wie im apokalyptischen Antikriegsstück „Düsenjäger“ zur Stimmung passen muss. „Ende offen“ ist das bisher abwechslungsreichste Album einer Band, die auch in den poppigsten Augenblicken nicht ihre Wurzeln vergessen hat. +++ Das schwedische Folk-Pop-Duo Fjarill entzückt auf „Midsommar“ mit musikgewordenem Feenstaub. Klavier, Streicher und sanfter Gesang reichen, um die Hörer_innen in einen Zustand der Leichtigkeit zu versetzen. Dass die Texte auf Schwedisch und Afrikaans vorgetragen werden, unterstreicht die geheimnisvoll schöne Aura der Musik.
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