Meine ersten & letzten Stunden mit Pokémon Go

Um Pokémon zu fangen, braucht man heutzutage keinen Rucksack voller Pokébälle, sondern ein Smartphone mit frischem Akku. Ich habe dem mittlerweile etwas abgeflauten Hype um „Pokémon Go“ nachgegeben und mich auf die Jagd gemacht – nur um festzustellen, dass das alles nix für mich ist.

 

Ich hatte nie etwas mit Pokémon am Hut – also wirklich überhaupt nix. Alles, was ich von diesem Franchise kannte, ist klein, gelb, hat rote Backen und hört auf den Namen Pikachu. Ein Maskottchen, das ich im Laufe der rund 20-jährigen Pokémon-Geschichte immer wieder am Rande wahrgenommen, aber in keiner Weise für spannend gehalten habe. Pokémon, das ist etwas für die Generation, die nach mir kam. Die Generation, die sich nicht mehr für die Ghostbusters, Turtles oder Galaxy Rangers interessiert hat. Verständnislosigkeit meinerseits schwang immer mit, wenn sich der Jahrgang 1990 und jünger auf den Gameboys quer durch die Farbpalette gespielt hat, bis schlussendlich nur noch Mond und Sonne übrig waren. Wenn Kids „Ich will der Allerbeste sein…“ anstimmten, bei „Ritter des Rechts…“ aber ausstiegen. Wenn sie sich hunderte schwierige Pokémon-Namen merken konnten, aber von Point’n’Click-Adventures überfordert waren. Nein, Pokémon ist nicht meine Welt und muss es in diesem Leben auch nicht mehr werden.

 

Und dann erschien „Pokémon Go“ am 6. Juli erst in den USA (und Ozeanien) und eine Woche später auch offiziell in Deutschland: Ein Augmented-Reality-Spiel, das die aus den Nintendo-Games und Anime-Serien bekannte Pokémon-Jagd in die echte Welt transferiert – auf das Display des Smartphones, um genau zu sein. So wie es das Entwicklerstudio Niantic bereits mit ihrem Vorgängerspiel „Ingress“ tat, über das ich hier schon im Oktober 2013 berichtete. Wo „Ingress“ noch verhältnismäßig anspruchsvolle Kost für eine überschaubare Anhängerschaft war, ging das recycelte und vereinfachte Spielprinzip dank des zugkräftigeren Pokémon-Franchises ab wie nasse Tapete. Eine Woche nach Veröffentlichung vermeldete Apple bereits, dass bisher keine andere App so häufig heruntergeladen wurde wie „Pokémon Go“. Genaue Zahlen ließen sich zwar nicht in Erfahrung bringen, doch die Marktforscher von Sensor Tower gehen von 7,2 Millionen Downloads in den ersten sieben Tagen aus. Mittlerweile spielt gefühlt jeder Smartphone-Besitzer das Spiel.

Oh Mist, da sitzt ein Glumanda auf meinem Sofa!

 

Da man ja mitreden möchte, wenn am Ende des Jahres über die größten Videospiele-Hypes der zurückliegenden 365 Tage gesprochen wird, kam ich um ein Reinschnuppern in „Pokémon Go“ nicht herum. Nach einem schnellen Download der rund 114 MB großen Applikation lud ich den Akku meines Samsung Galaxy S4 voll auf, aktivierte mein GPS und startete das Spiel. Im ersten Bildschirm wurde ich aufgefordert, mein Geburtsdatum anzugeben, um mich anschließend entweder über Google oder einen sogenannten Pokémon Trainer Club anzumelden. Ich entschied mich für einen Log-In per Google, da mir dieser Weg am unkompliziertesten erschien, und akzeptierte danach die Nutzungsbedienungen. Soll Sundar Pichai halt wissen, wo ich mich an einem Sonntagnachmittag auf Pokémon-Jagd begebe. Mir doch egal. Und dann begann das eigentlich Spiel. Wobei es sich vielmehr um ein Tutorial handelte, in dem mir Professor Willow kurz und knapp die ersten Infos rund um die Welt der Pokémon gab. Anschließend durfte ich mir recht spartanisch einen Avatar basteln, der mich auf der Karte im Display repräsentiert. Die Namenswahl erwies sich als schwierigeres Unterfangen, da meine ersten fünf Wunschnamen bereits vergeben waren und nur Buchstaben und Zahlen ohne Sonder- und Leerzeichen zugelassen sind.

 

Das alles hat erfreulicherweise trotzdem nicht länger als fünf Minuten gedauert und die darauffolgende Bestätigung, man würde das Spiel nicht hinter dem Steuer eines Fahrzeugs nutzen, gab ich in voller Vorfreude auf den eigentlichen Spielstart gerne. Denn das erste Pokémon, das es sich im Rahmen des Fang-Tutorials auf meinem Sofa gemütlich gemacht hatte, musste per vertikalem Fingerwisch über das Display einkassiert werden. Glumanda und die ersten Erfahrungspunkte landeten auf meinem Konto. Ich hatte das wirklich simple Spielprinzip sofort verstanden und war bereit, meine Wahlheimat Freiburg von der Pokémon-Seuche zu befreien. Im Herzen fühlte ich mich dabei eher wie Peter Venkman als Ash Ketchum. Und gleich vor meiner Haustür ging es ab wie im Monsterzoo. Im Radius von 50 Metern fing ich drei Pokémon ein, stieg dadurch nach zwei Spielminuten bereits auf Level 2 auf. Den liebgemeinten Warnhinweis seitens der App, ich dürfe keine Privatgrundstücke betreten, ignorierte ich gekonnt und trieb mich drei Minuten später auf dem geschlossenen Hof einer Grundschule herum, um an einer vermeintlichen Sehenswürdigkeit Pokébälle zu sammeln, die ich benötigte, damit ich weitere Pokémon fangen konnte.

 

Wie ein Smombie durch den Park

 

So wanderte ich mit dem Blick auf mein Display gesenkt durch Freiburg und fing ein Pokémon nach dem anderen. Manche ganz lässig im Vorbeigehen, manche mit einem Verlust von bis zu zehn Bällen, da sie sich einfach nicht erwischen ließen oder wieder aus dem Ball heraussprangen. Nach vierzig Minuten und 25% Akkuverbrauch kam ich mir nicht nur ziemlich blöd vor, weil ich wie ein Smombie durch die Gegend rannte, sondern verspürte auch eine gewisse Langeweile. Die entdeckten Pokémon wiederholten sich wie das Spielprinzip. Öde fühlte sich das alles an. Doch dann wartete die erste Arena auf einem unbelebten Platz vor einem Supermarkt auf mich. Meine Begeisterung für etwas Abwechslung wurde leider zunichte gemacht, denn Professor Willow wies mich darauf hin, dass ich viel zu unerfahren für Kämpfe wäre und wiederkommen solle, wenn ich mindestens Level 5 besäße. Level 5 und der erste Arenakampf – mein Ziel stand fest. Nach siebzig Minuten mit „Pokémon Go“ war mein Akkustand zwar um 40% geschrumpft, dafür hatte ich aber Level 4 erreicht. Leider waren die Level-Aufstiege von Stufe zu Stufe mit immer größerem zeitlichem Aufwand verbunden. Level 5 hätte mich sicherlich noch eine gute Stunde gekostet, wenn ich nicht unbedingt im hiesigen Seepark – wo es das wohl höchste Pokémon-Aufkommen Freiburgs geben soll – eine Runde nach der anderen hätte drehen wollen.

 

Nach neunzig Minuten und einem halbleeren Akku hatte mich die Lust komplett verlassen. Auch wenn das Spiel – gerade in Bezug auf die Arenen – womöglich noch Dinge zu bieten hat, die ich gar nicht mitbekommen habe, verspürte ich keinerlei Reiz, weitere dieser Viecher einzufangen. Dass der anfängliche Hype nicht ewig aufrechterhalten werden kann, ist klar. Dafür besitzt das Spiel zu wenig Tiefe, ist repetitiv und schluckt zu viel Akku, um mal so nebenher während der nächsten Städtereise gezockt zu werden. Doch auch wenn die Anfangseuphorie verflogen und ein Teil der Spieler wieder abgesprungen ist, wird eine Hardcore-Anhängerschaft bleiben. Ähnlich wie es auch bei „Ingress“ der Fall war. Die Veröffentlichung mitten in den Ferien war ein ebenfalls cleverer Schachzug, denn so wird es nicht wenige Spieler geben, die den Sommer 2016 als den Pokémon-Sommer in Erinnerung behalten werden. Mir persönlich reicht der zugegebenermaßen kurze Ausflug in die Welt der Pocket Monster. Für eine Rückkehr zum Spiel waren meine ersten Stunden einfach nicht aufregend genug. Oder um es – das habe ich im Rahmen der Recherche nämlich gelernt – in den Worten von Team Rocket zu sagen: „Das war mal wieder ein Schuss in den Ofen!“

 

2 Comments

  1. Das Akkuproblem ist imo nicht sooo tragisch. Gibt ziemlich kleine und gleichzeitig brauchbare Powerbanks, die fast schon unauffällig in der Hosentasche verschwinden. Sind nicht dicker als eine Brieftasche. 😀

    Inhaltlich ist es aber wirklich nicht sehr aufregend. Als großer Pokémon Fan der ersten Stunde spiele ich nach wie vor, was aber vor allem daran liegt, dass ich dadurch noch ausgedehntere Spaziergänge mache, als sonst. Aus 5 Kilometern werden dann auch schon Mal schnell 10.

    Hab da auch mit der Tochter viel Spaß dabei. Wir verbinden das oft mit einem Ausflug in die Stadt für ein Eis oder einem Besuch im Buchladen. Ich denke Pokémon ist gar nicht so übel für Kids, allein schon, weil es das Gedächtnis auf die Probe stellt.

    • Ich denke auch, dass die Stärke des Spiels eher darin liegt, es nebenher zu spielen. Meine Kiste Bier ist es trotzdem nicht. Wie gesagt, ein anderer Skin (vielleicht Ghostbusters) und die Sache würde vielleicht komplett anders aussehen. Für Pokémon-Fans muss das Spiel aber wirklich ein wahrgewordener Traum sein.

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