Mixtapes statt Fotoalben – musikalische Erinnerungen

Ich habe mein komplettes Leben in Form von Mixtapes dokumentiert, denn ein Lied kann manchmal mehr Erinnerungen hervorrufen als ein Foto.

 

Bereits in Grundschulzeiten habe ich Musik aus dem Radio auf Kassetten mitgeschnitten und mir so eine erste kleine Mixtape-Sammlung mit Lieblingsmusik geschaffen. Später führte ich dies fort und überspielte meine favorisierten Songs von CDs und Schallplatten auf Kassetten, damit ich diese unterwegs auf meinem Walkman hören konnte. Als das erste eigene Auto in mein Leben fuhr, wurde das Bespielen von Kassetten noch wichtiger, denn mein Opel Vectra verfügte nicht über ein damals modernes CD-System, sondern über ein klassisches Tape-Deck. Der richtige und vor allem individuell zusammengestellte Sound, um durch die schwäbische Provinz zu cruisen, war dabei das für mich Entscheidende. Nachdem ich mein Auto 2010 verkauft hatte, schmiss ich auch meine Tape-Sammlung weg, was ich heute sehr bereue, denn diese Kassetten wären ein schönes Dokument für meine musikalische Reise und Entwicklung gewesen.

 

„The best mix tape I have / and even all the bad songs ain’t so bad“ – Butch Walker

 

Das Zusammenstellen von Mixtapes mit den aktuell liebsten Liedern hat mich jedoch mehr geprägt, als ich damals ahnte. 2005 begann ich im Rahmen eines mp3-Player-Kaufes meine Musiksammlung komplett zu digitalisieren und auf meiner Festplatte zu archivieren. Das ermöglichte mir eine ganz neue Art Mixtapes zu erstellen. Playlisten entstanden, die weit über die begrenzten 60 bzw. 90 Minuten einer herkömmlichen Musikkassette hinausgingen. Für jede Stimmung erzeugte ich eine eigene Liste, die ich immer wieder zu Rate zog, wenn sie einer entsprechenden Laune entsprach. Für mich war Musik schon immer mehr als nur ein paar Lieder, die nett klingen. Höre ich bestimmte Stücke, erinnere ich mich sofort an die Momente zurück, in denen ich sie das erste Mal gehört habe. So verbinde ich mit diesen oder jenen Liedern ganz spezielle Lebensabschnitte, die mich in irgendeiner Weise prägten.

 

„I’m just making you mixtapes with homemade covers / strings and drawings show we’re lovers” – Tift Merritt

 

Zum Zeitpunkt dieser Erkenntnis entschied ich mich, meine Mixtapes bzw. Playlisten danach auszurichten. Als die Sommerzeit in meinem zweiten Lehrjahr begann, dokumentierte ich über den Windows Media Player, welche Songs ich zu dieser Zeit am meisten feierte. Der Winter kam samt einer neuen Freundin und eine weitere Playlist hielt die Zeit mit ihren Liedern für mich fest. Irgendwann fing ich an, mich zurückzuerinnern, alte Platten hervorzukramen, nach alten, möglicherweise noch nicht weggeschmissenen Kassetten zu suchen und rekonstruierte so Playlisten, wie sie in meinen zurückliegenden Jahren ausgesehen haben könnten. Mittlerweile befinden sich in meinem Media Player mehr als 40 Wiedergabelisten, die mein Leben von der Grundschulzeit bis zum heutigen Tage in Form von Musik belegen. Habe ich Sehnsucht nach der Zeit meiner ersten eigenen Wohnung, spiele ich die entsprechende Auswahl ab. Möchte ich mich an mein erstes Semester im Studium zurückerinnern, hilft mir die dazugehörige Playlist. Verfalle ich in Nostalgie, wenn ich an meinen Schulabbruch denke, das passende digitale Mixtape verstärkt das Gefühl. Diese Playlists sind meine Fotoalben geworden!

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