NetzDG: Maulkorb oder Segen fürs Internet?

NetzDG: Facebook und Twitter entscheiden, was geschrieben werden darf und was nicht?!

Rechtswidrige Inhalte sollen per neuem Gesetz schneller aus den sozialen Netzwerken verschwinden. Doch was rechtswidrig ist, liegt im Ermessen von Facebook, Twitter & Co.

 

Die stellvertretende AfD-Bundesvorsitzende Beatrix von Storch war eine der ersten prominenten Personen, die am 1. Januar 2018 mit dem in Kraft getretenen Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken – kurz NetzDG – konfrontiert wurden. Als Reaktion auf einen in Arabisch verfassten Neujahrsgruß der nordrhein-westfälischen Polizei (parallel wurde die Nachricht auch auf Französisch, Englisch und Deutsch gepostet) schrieb sie auf Twitter: „Meinen Sie, die barbarischen, muslimischen, gruppenvergewaltigenden Männerhorden so zu besänftigen?“ Twitter sperrte ihren Account daraufhin vorübergehend.

 

NetzDG soll Anbieter von sozialen Netzwerken in die Pflicht nehmen, Systeme anzubieten, anhand derer Nutzer rechtswidrige Inhalte melden können. Konkret heißt das: „Der Anbieter eines sozialen Netzwerks muss ein wirksames und transparentes Verfahren nach Absatz 2 und 3 für den Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte vorhalten. Der Anbieter muss Nutzern ein leicht erkennbares, unmittelbar erreichbares und ständig verfügbares Verfahren zur Übermittlung von Beschwerden über rechtswidrige Inhalte zur Verfügung stellen.“ Twitter entschied sich, dass von Storchs Tweet in die Kategorie „rechtswidriger Inhalt“ fällt.

 

1.2000 Menschen prüfen für Facebook Beschwerden

 

Der Druck auf die Anbieter sozialer Netzwerke ist groß. Nach dem Eingang einer Beschwerde muss unverzüglich gehandelt und den Beteiligten eine Begründung für die daraus resultierende Entscheidung mitgeteilt werden. Geschieht dies nicht, kann es zu schweren juristischen Folgen kommen. Ende Juni 2017 wurde das Gesetz verabschiedet, Anfang Oktober trat es in Kraft. Bis Ende 2017 hatten die betroffenen Unternehmen Zeit, sich auf die Umsetzung vorzubereiten. Facebook und Twitter reagierten, indem sie speziell hierfür Fachkräfte einstellten. Allein Facebook soll 1.200 neue Mitarbeiter angeheuert haben, die von Berlin und Essen aus Beschwerden bearbeiten.

 

Kritiker sehen in dem Gesetz die Gefahr, dass den Anbietern von sozialen Netzwerken juristische Befähigung gegeben wird, die sie gar nicht besitzen. Innerhalb kürzester Zeit müssen sie darüber entscheiden, was rechtswidrig ist und was nicht. Statt einer tatsächlichen Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt kann es zu willkürlichen Löschungen und Sperrungen kommen. Den Twitter-Account des Titanic Magazins traf es am 2. Januar 2018. Dieser nahm von Storchs Tweet an die nordrhein-westfälische Polizei zum Anlass, das zu machen, was ihr Job ist: Satire. Leider konnten die Verantwortlichen des Kurznachrichtendienstes nicht zwischen Satire und Realität unterscheiden.

 

Maas wird Opfer seines eigenen Gesetzes

 

Im Ausland zeigten sich die Medien interessiert an Deutschlands Vorreiterrolle. The Guardian erklärte die Bundesrepublik zum Testfeld, das zeigen wird, ob US-amerikanische Social-Media-Firmen zwischen Meinungsfreiheit und Hassreden unterscheiden könnten. Die Financial Times bezeichnete das Gesetz als das härteste Vorgehen gegen „hate speech“, das eine westliche Regierung bisher in die Wege leitete. Und The Times titelte reißerisch: „Gesetz und Ordnung in den digitalen Wilden Westen bringen“. Das Thema ist längst nicht mehr deutschlandexklusiv. In den USA wurde beispielsweise diskutiert, ob eine Drohung von Donald Trump an das nordkoreanische Staatsoberhaupt Kim Jong-un von Twitter unterbunden werden müsste.

 

Bundesjustizminister Heiko Maas, der NetzDG erarbeitete, verteidigt das Gesetz: „Soziale Netzwerke müssen sich wie jeder andere auch an unser Recht halten“, erklärte er im Gespräch mit der Bild-Zeitung. Darin werden ihm die wenigsten Nutzer sozialer Medien widersprechen. Ob es in dieser Form Sinn macht, ist jedoch eine ganz andere Sache. Denn dass das Gesetz löchrig ist, hat Maas zu Jahresbeginn selbst spüren müssen. Ein Tweet, den er 2010 verfasste, verschwand plötzlich aus dem Netz: „Beim Besuch der islamischen Gemeinde Saarbrücken ist mir gerade wieder klar geworden was für ein Idiot Sarazin (sic!) ist.“ Und das wird man ja wohl noch schreiben dürfen!

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