Nur 7.800 Platten pro Leben: Wann ist ein Album fertig gehört?

Wie viel Zeit muss einem Musikalbum eingeräumt werden, bevor es im Plattenregal verschwindet?

 

Vor einigen Jahren ging es bei like it is ’93 über Pile of Shames. Die Unterhaltungsmedien stapeln sich auf dem Wohnzimmertisch und die Zeit, die zum Spielen, Hören, Schauen und Lesen bleibt, reicht kaum. Bücher, Filme und Games verschwinden vom Stapel der Schande, sobald sie fertig konsumiert wurden. Ein Buch oder einen Film gleich zweimal hintereinander zu genießen, machen nur die Wenigsten.

 

Bei Musik sieht das anders aus. Ein Hördurchgang genügt selten, um ein Album abzuhaken. Die Soundwelten einer komplexen Post-Rock-Platte müssen wieder und wieder erforscht werden. Texte einer englischsprachigen Songwriter-Scheibe zünden erst beim dritten oder vierten Mal. Lieblingsalben benötigen eben mehr als einen Durchlauf, damit sie Teil des Lebens werden können. Wann ist ein Album fertig gehört?

 

Jeden Freitag wird es schlimmer

 

Neue Alben erscheinen jeden Freitag. Und jeden Freitag ist mindestens eine Platte dabei, die eingetütet werden muss. Dann kommen noch die Klassiker hinzu, die schon seit Ewigkeiten auf der To-do-Liste stehen. Schnell artet Musikhören in Arbeit aus. Der Kalender verrät, dass es nur noch drei Tage bis zum Release der nächsten heißersehnten Platte sind. Zwei verschweißte Alben liegen aber noch auf dem Schreibtisch.

 

Nicht alle werden das “Problem” nachvollziehen können. Doch wer alle guten Platten in der Welt hören will, muss sich ranhalten: Drei Alben in der Woche, 156 Alben im Jahr und bei einem Leben mit 50 aktiven Musikhörjahren nur 7800 Platten insgesamt. Wow, damit sind immerhin die 4133 LPs zu schaffen, die hhv.de derzeit anbietet.

 

Bis sich die Texte ins Hirn eingebrannt haben

 

Doch wann ist ein Album fertig gehört? Muss es so oft gehört werden, bis sich die Texte ins Hirn brennen? Reicht es, nur die Reihenfolge der Songs zu kennen? Was ist mit Alben, die nicht gefallen, aber Geld gekostet haben? Durchquälen oder in den Schrank verbannen? Sollte einem anspruchsvollen Artrock-Album von vorneherein mehr Zeit eingeräumt werden?

 

Ein Vorschlag: Wenn ihr den Aufbau eines Albums kennt und Lieder nach den ersten zwei Takten benennen könnt, beginnt der Abschied. Für einen letzten intensiven Hördurchgang nehmt ihr euch noch Zeit und übergebt das Album dann feierlich der Sammlung. Und sollte euch bis dahin nicht jedes Detail aufgefallen sein, ärgert euch nicht. Oscar Wilde sagte schon: „Die Musik ist der vollkommenste Typus der Kunst: Sie verrät nie ihr letztes Geheimnis.“