Review: Becks letzter Sommer
Der von Christian Ulmen gespielte Lehrer Beck möchte den Traum einer Musikkarriere leben und landet schlussendlich auf einem Roadtrip quer durch Europa. „Becks letzter Sommer“ ist die Verfilmung des gleichnamigen Buches von Benedict Wells.
Robert Beck befindet sich mit Ende dreißig in einer Sinnkrise. Nach einer gescheiterten Musikkarriere hat er sich in einem sicheren für ihn aber öden Lehrerberuf verrannt. In seinem Schüler Rauli sieht er die Möglichkeit, seinen eigentlichen Traum noch einmal in Angriff zu nehmen, indem er diesem die Lieder schreibt, die ihn zum Star machen sollen. Leider gehen die beidseitigen Erwartungen an die Mentor-Schüler-Beziehung auseinander, was in einem turbulenten Roadtrip durch Europa endet. „Becks letzter Sommer“ basiert auf Benedict Wells gleichnamigem Debütroman, den er 2008 mit gerade einmal 23 Jahren veröffentlichte. Literaturkritiker attestierten dem Wahlberliner Schreibtalent und gaben durchweg positiv Rezensionen. Regisseur Frieder Wittich – der bereits mit „13 Semester“ das deutsche Bildungswesen ins Visier genommen hat – setzte die dramatische Komödie mit Coming-Of-Age-Elementen nun in Bewegtbildern in Szene.
Die knapp 100 Minuten wurden analog einer Schallplatte in zwei Kapitel eingeteilt. Seite A spielt in Berlin und erzählt vom Annähern zwischen Beck und Rauli, dem gemeinsamen Musikmachen und dem Versuch, bei der im Film erstaunlich schlecht wegkommenden Plattenfirma Universal Music unterzukommen. Auf Seite B dreht es sich um eine Reise nach Instanbul, die Beck und Rauli antreten, um Becks bestem Kumpel Charlie beim Finden der vermeintlich kranken Mutter zu helfen. Diese zwei Kapitel stehen im krassen Kontrast zueinander, da der erste Teil als klassischer Musikfilm und der zweite als Roadmovie gesehen werden kann. Dabei ahnt man – vielleicht abgesehen vom finalen Twist – nie, worauf die Geschichte hinauslaufen wird. Die allgegenwärtige Message, dass es nie zu spät ist, den eigenen Traum zu leben, mutet erst einmal ziemlich plakativ an, wird zum Glück aber angenehm unprätentiös behandelt.
„Becks letzter Sommer“ funktioniert in aller erster Linie durch das Können seiner Hauptdarsteller. Die wichtigsten Figuren besitzen eine nachvollziehbare Doppelbödigkeit, die platten Momenten vorbeugt. Christian Ulmen mimt den Robert Beck in der Phase seines Lehrerdaseins perfekt leidenschaftslos und in den Szenen als Musiker mit dem entsprechenden Feuer. Der litauische 12-Klässler Rauli Kantas – in jeder Bewegung, jedem Gesichtsausdruck einnehmend von Nahuel Perez Biscayart gespielt – ist auf der einen Seite noch ein verplantes unreifes Kind und auf der anderen ein verantwortungsbewusstes Talent mit einer LKW-Ladung Herz. Auch die Nebenrollen wurden mit Friederike Becht als sympathische Freundin Lara, Fabian Hinrichs als ekliger Plattenfirmenangestellter Holger Gersch und Eugene Joel Boateng als bester Freund Charlie qualitativ hochwertig besetzt.
Ein Musikfilm gewinnt selbstverständlich erst mit guter Musik seinen Reiz. Die Experimentalpunker von Bonaparte rund um ihren Frontmann Tobias Jundt schrieben speziell für „Becks letzter Sommer“ einen Soundtrack mit zig großartigen Songs, die durch ihren dreckigen Ohrwurmcharakter und Raulis herrlichen Akzent zu einem der großen Highlights des Films zählen und auch weit über den Kinobesuch hinaus im Kopf hängenbleiben. Es ist ein Segen für den Streifen, dass Frieder Wittich in der Lage ist, alles was er in Form von einer spannenden Geschichte, hervorragenden Schauspielern und toller Musik hat, perfekt zusammenzuführen und einen erwachsenen Film zu machen, der sich nicht in der Pathospfütze suhlt, um von Gänsehautmoment zu Gänsehautmoment zu jagen. Stattdessen läuft „Becks letzter Sommer“ angenehm runter und hätte, wenn überhaupt, lediglich fünf Minuten früher enden sollen, da ihm ein offeneres Ende bestimmt gut getan hätte. Der Geheimtipp für die warmen Monate des Jahres.
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