Review: Get Out
“Get Out” ist mehr als nur ein Horrorfilm. Jordan Peeles Überraschungshit thematisiert Rassismus auf eine so passend abstoßende Art, dass der Zuschauer im Kinosessel kauert wie Daniel Kaluuya auf dem Filmposter.
Als Ende Februar „Get Out“ in die US-amerikanischen Kinos kam, rollte der Hype-Train rasant los. Zweieinhalb Monate später wurden die ersten Poster, auf denen Daniel Kaluuya völlig verängstigt in einem Sessel kauert, auch in deutschen Großstädten gesichtet. Ein starkes Bild, das den Betrachter sofort in seinen Bann zog. Doch um was es in „Get Out“ geht, konnte sich niemand vorstellen. Irgendwas mit Horror. Irgendwas mit einer Liebesgeschichte. Aber auch irgendwas mit Rassismus. Seit Anfang Mai hat das Spekulieren ein Ende, denn „Get Out“ ist in den deutschen Kinos angelaufen.
Jordan Peele, der sich für Drehbuch und Regie verantwortlich zeigt, überraschte mit „Get Out“ sowohl die Kritiker als auch seine Fans. Denn der Film ist nicht nur ein erwachsener und vor allem handwerklich gutgemachter Horror-Thriller, sondern auch ein ausformuliertes Statement zum Thema Rassismus. Und das von einem Filmschaffenden, der in der Vergangenheit als Teil des Comedy-Duos Key & Peele berühmt wurde und ulkige Blockbuster-Parodien wie „Keanu“ drehte.
Ständig brodelt es
Chris Washington lebt in New York, arbeitet als Fotograf und ist Afroamerikaner. Seit fünf Monaten führt er eine Beziehung mit Rose Armitage, die ihn zum Besuch bei ihren Eltern überredet. Die Armitages sind eine wohlhabende weiße Ärztefamilie, die in einer pompösen Villa weit außerhalb New Yorks lebt. Welten treffen aufeinander und auch Chris kann den einen oder anderen Vorbehalt nicht unterdrücken. Trotzdem kommt sich die Familie näher. Doch die Stimmung kippt und Chris wünscht sich nur noch, er könne alledem entfliehen.
Weshalb der Ausflug für Chris zum Alptraum wird, soll an dieser Stelle nicht verraten werden. „Get Out“ lebt von seinen Überraschungsmomenten. Je weniger über den Film im Vorfeld bekannt ist, desto mehr Nervenkitzel bringt er mit sich. Ständig brodelt es. Seien es Dialoge oder Gesichtsausdrücke, alles wurde perfekt eingefangen. Durch Zeitlupenaufnahmen werden Figuren aus den Szenen gerissen. Als Zuschauer betrachtet man in diesen Momenten die Welt durch Chris‘ Augen. Das Hineinversetzen in den Protagonisten wird so noch leichter.
Rassismus ist der allergrößte Horror
Daniel Kaluuya spielt den Chris je nach Situation cool, misstrauisch oder verletzlich. Und auch der restliche Cast lebt durch die Mimik. Allison Williams, die die Freundin Rose verkörpert, ist in einem Moment das fürsorglichste Mädchen der Welt, kann im nächsten aber schon den Teufel darstellen. Filmtechnisch zieht „Get Out“ mit den Schauspielern gleich. Schlüsselszenen wie die Hypnosen hat Jordan Peele visuell außergewöhnlich und nachvollziehbar inszeniert. Darüber hinaus streut der Film dank Nebendarsteller Lil Rel Howery eine dringend benötigte Prise Humor ein.
Gerade in der ersten Hälfte, in der nicht abzusehen ist, worauf es hinausläuft, setzt sowohl auf der Kinoleinwand als auch davor Unbehagen ein. Häufig beobachtet Chris das, was um ihn herum passiert, durch seine Kamera. Ähnlich wie Heather aus „Blair Witch Project“ kann er sich der Szenerie so ein Stück weit entziehen. Als Zuschauer fühlen wir uns ihm dadurch näher. Im Vergleich zum Protagonisten haben wir jedoch den Luxus, diesen Schutzmodus nicht verlassen zu müssen.
„Get Out“ erzählt eine starke Geschichte, die es schafft, Rassismus dem damit nicht direkt betroffenen Zuschauer auf eine abstoßende Art näherzubringen. Denn niemand braucht fiktive Monster mit Reißzähnen, wenn die tatsächlich existierende Fratze des Rassismus der allergrößte Horror ist. „Get Out“ ist kein Horrorfilm, der sich speziell an Horrorfans richtet, sondern ein Film, der von allen Menschen geschaut und – viel wichtiger – besprochen werden sollte.
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