Review: Joken – Allein unter Freunden
Joken begrüßt den Hörer mit den Worten: „Alles, was es zu sagen gibt, hört ihr auf der EP“. Und ehe man sich verhört, startet ein vielversprechender Beat, ein sauberer Flow spuckt Standard-Streetrap-Floskeln und der Kopf fängt an zu nicken: „Das sind 21 Jahre Frustration und Mum es tut mir leid, ich bin kein Mustersohn.“ Zu Beginn der Platte gibt es gleich den Höhepunkt.
Was am Anfang noch nach einem Jugendlichen klingt, der aus dem spannenden Leben eines Heranwachsenden in Zeiten der gesellschaftlichen Verrohung erzählt, wird ruckzuck zum wandelnden Abklatsch eines Talk-Show-Gastes bei Oliver Geissen. Der Junge, der hart zu beißen hat, da er keinen Ausbildungsplatz bekommt, weicht dem klischeegeladenen Bild eines halbstarken Machos, der Ghettoisierung romantisiert und am Ende des Tages einen Fick gibt. Schade.
Joken macht es einem schwer, ihn ins Herz zu schließen. Auf der einen Seite preist er immer wieder familiäre Werte an und auf der anderen verhält er sich wie ein unreflektierter Pitbull. Die Kunstperson Joken ist in sich nicht stimmig. Mit 21 Jahren darf vielleicht auch nicht zu viel von ihm verlangt werden?! Sein Beatgeschmack ist nämlich anständig und eine gesunde musikalische Weiterentwicklung innerhalb der nächsten fünf Jahre mehr als möglich. Bis dahin ist aber „Allein unter Freunden“ Jokens State of Art.
Man könnte fast meinen, Bietigheim-Bissingen sei ein sozialer Brennpunkt in der Hauptstadt und kein 43.000 Einwohner Städtchen nördlich von Stuttgart. Sozialwissenschaftler hätten eine helle Freude daran, an Joken und seinem Umfeld eine Milieustudie durchzuführen. Joken möchte, dass man ihn als harten Typ sieht, der, wenn es seiner Meinung nach sein müsste, zuschlägt. Trotzdem spricht er von Gott, Engeln und einer liebenden Mutter, was sich beißt. Möchte er jetzt ein guter Mensch oder ein leicht zu provozierender Druffi sein? Dass er beides in sich verkörpert, mag vielleicht sein, diese Ambivalenz wird dann aber zu oberflächlich behandelt.
In einer Zeit, in der Rapper wie Haftbefehl oder Nate57 Straßenrap auf ein neues Niveau gehievt haben, wirkt Jokens musikalischer Ansatz verloren. Er hat der Sparte nichts Neues hinzuzufügen. Seine Homies wird er mit „Allein unter Freunden“ vielleicht begeistern, doch ob die EP darüber hinaus – und so ehrlich muss Joken sich selbst gegenüber sein – Gehör finden wird, ist unklar.
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