Review: Jurassic World

14 Jahre haben wir auf eine Fortsetzung von „Jurassic Park“ warten müssen, nun können die Dino-Schulranzen von Scout wieder ausgepackt werden: „Jurassic World“ ist in den Kinos und Chris „Star-Lord“ Pratt macht aus den Velociraptoren Zirkusäffchen.

 

„Jurassic Park“ war 1993 ein Blockbuster-Ereignis, wie es im Buche steht. Der Film bescherte der Popkultur legendäre Szenen, die nicht mehr aus dem kollektiven Gedächtnis des Kinopublikums wegzudenken sind: Der Trick mit dem Wasserglas, der Dixiklo-fressende T-Rex, die Darmreinigung des Triceratops, das Duell mit den Velociraptoren in der Großküche – „Jurassic Park“ ist Kult und beeinflusste die Unterhaltungsindustrie in einem unglaublichen Maße. Bei Produktionskosten von rund 63 Millionen US-Dollar spielte der Film weltweit um die 915 Millionen US-Dollar ein. Dinosaurier wurden dank Steven Spielbergs Abenteuerfilm zum großen Hype Anfang der neunziger Jahre und bescherten nicht nur dem entsprechenden Themenschulranzen von Scout reißenden Absatz. Es folgten 1997 mit „Vergessene Welt“ und 2001 mit „Jurassic Park 3“ zwei Fortsetzungen, die zwar durchaus erfolgreich waren, jedoch nicht an den Triumph des ikonischen Vorgängers anschließen konnten.

 

In einer Welt der Godzillas und Kampfroboter

 

Seitdem hat sich vieles auf den Leinwänden der großen Lichtspielhäuser getan. Godzillas und riesige Kampfroboter haben die Kinos übernommen und lassen mit ihrer Gigantomanie den T-Rex und seine Verwandten wie kleine Kuscheltiere erscheinen. Wie passt da ein vierter Teil des wohl coolsten Zoos der Menschheitsgeschichte noch hinein? Die Überraschung: Erstaunlich gut, möchte man allein den Einspielergebnissen von „Jurassic World“ am Startwochenende Glauben schenken. 512 Millionen US-Dollar wurden in die Kassen von Universal Pictures gespült und vertrieben damit „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes – Teil 2“ vom Thron der erfolgreichsten Kinostarts aller Zeiten. Auch von Kritikerseite hagelte es zumindest keine Vollverrisse, denn mit 71 % bei Rotten Tomatoes können die Macher bei einem simplen Popcornfilm zufrieden sein. Und tatsächlich ist der Film ein Zwei-Stunden-Spaß, der nicht wehtut, aber definitiv auch nicht an die Qualitäten von „Jurassic Park“ heranreicht. „Jurassic World“ ist ein Reboot ohne Reboot zu sein und muss sich Vergleiche mit dem Original einfach gefallen lassen.

 

22 Jahre nach dem ersten Teil ist der Traum vom Dinopark endlich wahr geworden. Millionen von Menschen strömen jährlich auf die Insel Isla Nublar, um sich die Urzeitechsen anzuschauen. Zwischenfälle gibt es nicht, alles läuft perfekt für die von Bryce Dallas Howard gespielte Parkleiterin Claire Dearing. Aber natürlich wäre dies kein Film der Jurassic-Reihe, wenn trotz meterdicker Betonwände nicht irgendwann etwas schiefgehen würde. Ein im Labor zusammengemischter Dinosaurier mit dem Namen Indominus Rex, der größer und gefährlicher ist als jede andere Parkattraktion, um schlussendlich noch mehr Besucher anzulocken, bricht aus und beginnt, nur aus Vergnügen andere Lebewesen zu jagen und zu töten. Was folgt ist – völlig erwartungsgemäß – der allseits bekannte Kampf ums Überleben, der von Chris Pratt in der Rolle des Velociraptoren-Dompteurs Owen Grady angeführt wird. Damit sind schon die ersten Probleme genannt, die beinharte Fans der ersten Teile möglicherweise mit „Jurassic World“ haben könnten: Ein Monster, das zwar Bezug zu Dinosauriern hat, aber letztendlich komplett auf dem Mist von Drehbuchautoren gewachsen ist und Raptoren, die sich herumscheuchen lassen wie ein paar Polizeihunde.

 

Monster werden zu Schoßhündchen

 

Nun war die Jurassic-Reihe wissenschaftlich nie sonderlich akkurat – muss sie als spaßorientierte Hollywoodproduktion auch gar nicht – Teil Vier hätte sich aber gerne grob an den inhaltlichen Säulen seines Vorgängers entlanghangeln können. Allein die Tatsache, dass der einst so mächtige T-Rex erneut zum Schoßhündchen eines noch größeren Monsters gemacht wurde und am Ende gar friedlich über die Insel stolzieren darf, macht den Tyrannosaurus einmal mehr zum Barney-Verschnitt. Und was ist mit den einst so fiesen Velociraptoren, die mit cleverem Teamwork ihre menschlichen Gegner bis zur Schockstarre terrorisierten? Nun lassen sie sich von Chris Pratt herumdirigieren, als wären sie die weißen Tiger von Siegfried & Roy, schützen die Menschen am Ende gar vor dem Indominus Rex. Sicherlich sehen die Drehbuchautoren darin einen nächsten Schritt, durch den bereits dreimal gesehene Szenen nicht erneut wiederholt werden müssen, mir persönlich nimmt diese Neuausrichtung der Dinosaurier jedoch deutlich den Appeal des ganzen Spektakels.

 

Das CGI-Feuerwerk, das heute selbstverständlich üblich ist, aber nicht an den Reiz der großen Modellshow des ersten Teils herankommt, nimmt viel von der Nostalgie, die man vor dem Film eigentlich hatte. Allein das computeranimierte Eingangstor des Parks lässt die komplette Freude auf das Kinoereignis verpuffen. Richtig schick sieht der restliche Park trotzdem aus und sorgt in Kombination mit dem Ohrwurm-Theme für ordentliche Gänsehaut. Mit Referenzen an die Vorlage wird in „Jurassic World“ generell nicht gespart. Die Gaspedale der alten Mustang-Jeeps werden wieder kräftig durchgedrückt, der Genforscher aus Teil 1 ist zurück, eine John-Hammond-Statue schmückt den Park und womöglich aus Hommagegründen trägt die neue Parkleiterin – wie schon Hammond damals – ein komplett weißes Outfit. Fans können sich also freuen, müssen aber keine Angst haben, dass der Film sich komplett auf alten Lorbeeren ausruht. Dafür hat „Jurassic World“ genug eigene Ideen, die nicht immer zünden, aber wenigstens vom kreativen Anspruch der Macher zeugen.

 

Chris Pratt bewirbt sich als neuer Indiana Jones

 

Park-Ranger Owen Grady ist der stereotype Held, der so auch in den Abenteuerfilmen vor 20, 30 Jahren aufgetaucht wäre. Harter Typ mit weichem Kern, der alles im Griff hat und der weiblichen Darstellerin immer einen kecken Spruch reindrückt. Chris Pratt bewirbt sich mit dieser Rolle samt der im Film getragenen Lederweste im Grunde direkt für ein Indiana-Jones-Reboot. Auf der anderen Seite sind derartige Charakterzeichnungen eigentlich außer Mode und zeigen ganz klar auf, was für ein konservatives Geschlechterbild in „Jurassic World“ propagiert wird. Da setzt der nach Plan inszenierte Kuss zwischen Pratt und Howard mitten in einer Actionszene dem Film endgültig die Mittelmaßkrone auf. Immer wieder 0815-Dialoge zwischen dem klischeebehafteten Dinosaurierfan Gray (Ty Simpkins) und dessen dauerspitzen Bruder Zach (Nick Robinson), der nach Muster geschriebene Nerd Lowery Cruthers (Jake Johnson) oder Parkbesitzer Simon Masrani (Irrfan Khan), der völlig idiotische und unrealistische Entscheidungen trifft, zehren schon stark am emotionalen Investment des Zuschauers.

 

Regisseur Collin Trevorrow hat der Serie einen frischen Anstrich verpasst, der durchaus funktioniert. Dennoch macht der Film die gleichen Fehler, wie all die anderen luftig leichten Sommerblockbuster, die mit großem Pomp auf der Bildfläche erscheinen, spätestens im Herbst aber schon wieder vergessen sind. Kann man mit Popcorntüte in der Hand durchaus genießen, muss man aber nicht. Oder um es in den Worten eines Twitter-Nutzers zu sagen: Für einen Mercedes-Werbespot nicht schlecht.

 

2 Comments

  1. Danke, dass du dir diesen Scheiß reingezogen hast. Ich finde, du bringst da immer ein echtes Popcorn – Opfer für deine Leser. 😉 Nee Spaß, wenn es mir sehr langweilig wäre, würde ich mir den wahrscheinlich auch anschauen.

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  1. 2015 – Der große Jahresrückblick – like it is '93 // das Popkultur-Magazin

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