Review: Magical Mystery

Die Rückkehr des Karl Schmidt hat ihren Weg auf die Kinoleinwand gefunden. Sven Regeners Roman „Magical Mystery“ bietet in filmischer Form nicht nur Musik von Bumm Bumm und Kratzbombe Records, sondern auch eine Geschichte über mentale Krankheiten und die Suche nach einem Platz im Leben.

 

2013 öffnete Sven Regener mit „Magical Mystery“ das Lehmann-Universum, indem er nach den Romanen „Herr Lehmann“, „Neue Vahr Süd“ und „Der kleine Bruder“ erstmals nicht den titelgebenden Frank Lehmann, sondern die bisherige Nebenfigur Karl Schmidt zum Protagonisten erhob. Schmidt, der von seinen Freunden Charly genannt wird, war ein Künstler und Lebemann, der sich eher um seinen Elektrolytenhaushalt als um seine Altersvorsorge kümmerte. Nach der Wende hatte dieser Lebensstil ein jähes Ende. Charly erlitt einen Nervenzusammenbruch und fand sich in einer psychiatrischen Klinik wieder. Die Geschichte von Buch und Film setzt ein, als er auf alte Weggefährten trifft. Diese sind mit ihrem Techno-Label Bumm Bumm Records stinkreich geworden und möchten nun auf eine Deutschlandtour namens „Magical Mystery“ gehen. Der orientierungslose Charly schließt sich den Musikern an und fungiert als Mädchen für alles.

 

Karl Schmidt wird von Charly Hübner mit der sympathischen Kauzigkeit gespielt, die auch im Roman beschrieben wird. Überhaupt ist es die große Stärke des Films, vorlagentreu geblieben zu sein. Dialoge wurden größtenteils eins zu eins übernommen, Nebenfiguren wie Schöpfi, Sigi oder die Hosti Bros wirken wie aus den Seiten geschnitten und die musikalische Atmosphäre, die Mitte der Neunziger Jahre herrschte, erscheint authentisch. Nicht umsonst schrieb Sven Regener höchstpersönlich das Drehbuch. Er weiß, was er den Lesern vermitteln wollte und hat dies entsprechend in den Film übersetzt. Mit Arne Feldhusen hat zudem ein Filmschaffender die Regieklappe in die Hand genommen, der in der Vergangenheit mit „Stromberg“ und „Der Tatortreiniger“ komödiantische Kompetenz bewiesen hat.

 

die Romanvorlage von Sven Regener

Ähnlich wie „Stromberg“ und „Der Tatortreiniger“ punktet „Magical Mystery“ mit Humor, der nicht plump auf die Pointe geschrieben wurde. Natürlich gibt es einfache Lacher, wenn einer der zugedröhnten Hosti Bros beispielsweise zur Kotzorgie ansetzt, meistens ergibt sich der Spaß jedoch aus den absurden Dialogen. Wenn sich die Label-Chefs Ferdi (Detlev Buck) und Raimund (Marc Hosemann) gegenseitig die Welt erklären, kann man als Zuschauer nur amüsiert lauschen. Die Steife, die die Dialoge zu Filmbeginn noch versprühen, geht schnell verloren. Gelungene Kameraeinstellungen, die während des Vorspanns zum Takt der Musik filmen oder Karls Anfälle einfangen, unterstreichen das Können der Macher. Gerade Karls mentale Gesundheit, die er mit einer Karussellgondel vergleicht, die sich löst und auf deren Aufprall man wartet, findet eine nachvollziehbare audiovisuelle Umsetzung.

 

„Magical Mystery“ bietet jedoch mehr als Humor und gutes Handwerk. Der Film ist eine Liebeserklärung an die schräge Zeit des Neunziger-Jahre-Technos, der zu den wenigen Trends gehört, die wohl nie wieder zurückkehren werden. Und auch Karl Schmidts bereits erwähnter seelischer Zustand nimmt einen entscheidenden Teil des Films ein. Nach seinem Klinikaufenthalt, kam er in eine Wohngruppe. Dort arbeitete er als Hausmeister und Tierpfleger in einer Kindertagesstätte. Was er mit der Pflege unterschiedlicher Zootiere begann, führt er mit dem „Aufpassen“ der Techno-Truppe fort. Der Mann, der nur mäßig auf sich selbst Acht gibt, entpuppt sich als loyaler Freund, der seinen Platz im Leben sucht. Und wenn Karls Sozialarbeiter Werner (Bjarne Mädel) ihm zum Abschied die Hand gibt und alles Gute wünscht, muss auch der Zuschauer einstimmen: Alles Gute, Karl Schmidt – während im Hintergrund der Hit mit der Flöte läuft.

 

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