Review: Ride to Hell – Retribution
„Ride to Hell“ – der Name ist Programm. Das wohl beschissenste Spiel der jüngeren Videospielgeschichte fand nun auch den Weg in meine PlayStation. Leider.
Als die Videospielpresse letztes Jahr in einer Mischung aus Ungläubigkeit und Amüsement über die Deep-Silver-Gurke „Ride to Hell: Retribution“ berichtete, war ich zugegebenermaßen doch ein wenig interessiert an dem angeblich schlechtesten Spiel unserer Zeit. Entwickelt von Eutechnyx, die seit 2011 für die NASCAR-Reihe verantwortlich sind, ist „Ride to Hell“ nun wohl der zum Videospiel gewordene Autounfall, den man nicht feiern, die Augen aber auch nicht davon lassen kann. Doch 60 Euro für ein Game ausgeben, das normalerweise nur Kinder spielen sollten, die ihre Eltern erschlagen haben, kam für mich nicht in Frage. Die Mai-Angebote im PlayStation Store, die das Spiel mit gerade einmal 2,99 Euro listeten, überzeugten mich letztendlich dann aber doch noch. Wohlgemerkt: 2,99 Euro kein Jahr nach Release!
Grizzley-Pranken gegen den Spielspaß
Der Plot ist hohler als ein ausgeblasenes Osterei: Motorradgang bringt gegnerisches Bandenmitglied um, Bruder des Opfers will Rache, fertig. Okay, diese einfach gestrickte Story kann trotzdem spannend erzählt und fesselnd inszeniert werden, „Ride to Hell“ macht jedoch solche Sprünge in der Erzählung, dass das Präsentierte bestenfalls als eine mittelmäßige Verballhornung betrachtet werden kann. Da stören Logikfehler wie Sex zwischen angezogenen Menschen und eine Verfolgungsjagd, die in der vorangegangenen Cut-Scene in der Nacht startet und dann bei Tag gespielt werden muss, weniger als die überdimensionalen Grizzley-Pranken der Hauptfigur. Laut Werbetext ist der Protagonist sowieso der krasseste Motherfucker seit der Erfindung der krassen Motherfucker: „Wenn er nicht gerade eine Waffe in der Hand hat, schraubt er an anderen heißen Geräten – entweder sieht man ihn mit seinem Bike oder mit einer heißen Braut auf dem Schoß, nicht selten sogar mit beidem.“
Es ist wenig überraschend, doch ich schließe mich all den Vertretern der Fachpresse an, die das Spiel durchspielen mussten und anschließend in ihren Publikationen verrissen. Das Zocken von „Ride to Hell: Retribution“ ist ein absoluter Krampf und kommt eher an die Therapiesitzungen aus „A Clockwork Orange“ als an eine gemütliche Spielsession heran. Statt sich die Frage zu stellen, was sich die Macher Kapitel für Kapitel ausgedacht haben, wartet man lieber gespannt auf den nächsten Glitch, Bug oder kopfschmerzerzeugenden Kameraruckler. Wenn die Story und das Gameplay die einzigen Probleme wären, die dieses teuflisch schlechte Action-Adventure hätte, könnte man es wenigstens zum schnellen Trophäensammeln nutzen. Stattdessen ist „Ride to Hell“ nicht nur spielerisch, sondern auch technisch unspielbar. Innerhalb der ersten Stunde ist mir das Game sechs Mal (!!!) abgestürzt.
Kopfschüsse ‘til infinity
Richtig verrückt wird es, wenn es zu Schießereien kommt. Gerade die dicken Gegner mit Eishockeymaske ließen mich mit einem Stirnrunzeln zurück, das selbst einem Klingonen Konkurrenz gemacht hätte. 15 Kopfschüsse reichen eben nicht aus, da hilft bloß ein kräftiger Hieb mit einem Schlagring. Ernsthaft?! Und warum könnte ich mir bei den unverschämten Ladezeiten locker eine 5-Minuten-Terrine ansetzen? Die Grafik wird nicht der Grund für die langen Ladevorgänge sein, denn die ist – mit sehr viel Wohlwollen – gerade einmal Niveau der PS3-Anfangstage. Da wundert es nicht, dass das Spiel bereits 2008 von Deep Silver angekündigt wurde. Texturen ploppen nach und nach auf, obwohl gerade die Motorradabschnitte nicht durch sonderlich viele Streckendetails protzen. Generische Straßensperren und die immer gleichen Fahrzeuge können ja wohl keinen krassen Systemanspruch erzeugen. Es wirkt fast schon überflüssig, an dieser Stelle den miserablen Sound anzusprechen. Explosionen durch von der Strecke abgekommene Motorräder klingen, als kämen sie aus iPhone-Lautsprechern und Pistolenschüsse ähneln akustisch einem feuchten Furz.
Bei so viel zusammenprogrammiertem Mumpitz ist es fast überflüssig, Features wie einen Motorradbaukasten zu erwähnen. Das „The Room“ der Videospiele ist Müll, der vor einigen Monaten tatsächlich mit einem DLC ergänzt wurde. Ich bin ein Spieler, der seine angefangenen Spiele stets durchspielt, seien sie auch noch so ätzend. Ich habe dies mit Rohrkrepierern wie „Eat Lead“, „Dark Void“ oder „Alien: Colonial Marines“ geschafft und hatte eigentlich auch vor, „Ride to Hell: Retribution“ diese Ehre zu erweisen. Doch zum ersten Mal hadere ich mit meinen Vorsätzen. Dieses Spiel gibt mir das Gefühl einer langen und qualvollen Klausurphase, wird mich aber sicherlich nicht mit einem Gefühl der erlösenden Befriedigung belohnen. Stattdessen fühle ich mich bei jedem Spielstart, als würde ich mir nun etwas Schmuddeliges zu Gemüte führen. Um noch ein weiteres Mal den Werbetext zu zitieren: „Das einzige, was Sie zu erwarten haben, sind gebrochene Knochen.“ Meine Daumen hätte man mir brechen sollen, bevor ich den Downloadbutton gedrückt habe.
Amazon-Kunden know it‘s best
Nicht ganz so, aber ähnlich wie bei dem berühmt-berüchtigten Taschenmesser mit dem integrierten Flugzeugträger, überschlagen sich die wahnwitzigen Amazon-Kundenrezensionen auch unter diesem Spiel. „Ich verstehe die schlechten Wertungen nicht, denn man kann die Blu-Ray auch wunderbar als Getränkeuntersetzer nutzen“, schrieb beispielsweise Lebkuchen. Amazon-User X-Men machte seinem Ärger mit anderen aber ebenso deutlichen Worten Luft: „Das Spiel ist einfach nur schlecht. Angefangen von den schnellen Übergängen bis hin zur Fahrphysik der Bikes. Das Spiel hab ich auch nicht verkauft, einfach in den Müll.“ Etwas weniger Zeit für eine ausführliche Kritik wollte sich Riesiger Affe mit Hut nehmen und gab einen Stern: „Eine ausführliche Rezension für das Spiel ist mir meine Zeit nicht wert.“ Doch am nächsten lag wohl Dinkelmann: „Ich glaube, der meiste Aufwand lag in der Gestaltung des Menüs und des Soundtracks.“
😀 klingt vielversprechend!
Genau das dachte ich auch! 😛
http://www.youtube.com/watch?v=HWxEwdGpIPQ check this!
Zero Punctuation hat das Spiel auch besprochen!
Coole Review! Ich habe es aber – anders als der nette Mann aus dem Video – nicht mehr durchspielen wollen. Meine Festplatte wurde von diesem Schrott gereinigt.