Review: XXXTentacion – 17
„Tired of feeling like I’m trapped in my damn mind“ – XXXTentacion hat mit “17” ein Debütalbum veröffentlicht, das bedrückende Einblicke in das Seelenleben eines gebeutelten 19-Jährigen gibt.
XXXTentacion ist ein faszinierender Künstler. 1998 in Florida geboren, schaffte er es 2017 in die renommierte Freshman Class des HipHop-Magazins XXL. Der über SoundCloud gestreute Song „Look at me!“ machte ihn weltweit bekannt, das im Mai veröffentlichte Mixtape „Revenge“ schaffte es auf Platz 44 der US-Charts. Doch Jahseh Dwayne Onfroy – wie der Musiker mit dem komplizierten Künstlernamen bürgerlich heißt – steht sich selbst im Weg. Mehrmonatige Gefängnisaufenthalte und noch offene Anklagepunkte zeigen, dass er sehr viel aufarbeiten muss, bevor er sich Vollzeit in das Künstlerdasein fallen lassen kann.
„Save me, I don’t wanna be alone!“
Der Unterschied zwischen XXXTentacion und den rappenden Kollegen ist jedoch, dass sich der 19-Jährige mit seinem Seelenzustand beschäftigt, statt mit seinem von Gewalt geprägten Lebensstil zu prahlen. „17“ wird mit „The Explanation“ eröffnet, eine kurze Ansage von XXXTentacion, in der er seine Hörer vor dem warnt, was in den nächsten Minuten folgen wird. Wer sich nicht voll und ganz auf das Album einlasse, solle sich gar nicht erst mit seinem Schaffen auseinandersetzen. Bei denen, die Zeit und Geld in ihn investieren, bedankt er sich hingegen von ganzem Herzen.
„I’m the only one stressed, I’m the only one tired of having fake friends”, beklagt er sich auf “Orlando” und findet ein paar Zeilen später eine destruktive Lösung für seine Probleme: “I’ve been waiting on death with a smile on my face”. “17” bietet keinen für Florida typischen Sonnenschein, sondern ist ein schonungsloser Einblick in die Gedankenwelt eines Menschen, der mehr erlebt und gesehen hat, als er mit seinen jungen Jahren verarbeiten kann. Hochemotional schreit er nach Hilfe, denn er schafft es nicht mehr alleine: „So save me, before I fall, so save me, I don’t wanna be alone!”
„I’m in pain, wanna put 10 shots in my brain“
Ein Hördurchgang von “17” dauert keine halbe Stunde. Trotzdem bieten die zehn Songs eine musikalische Abwechslung, die es nur selten auf HipHop-Platten gibt. Wobei der Begriff HipHop-Platte dem Werk nicht gerecht wird. Wenn XXXTentacion auf „Fuck Love“ an der Seite von Trippie Redd einer Verflossenen hinterhertrauert, kann die Art des Vortrags noch als gängige Rap-Kost bezeichnet werden. „Hiphoppiger“ wird es von da an aber nicht mehr. Stattdessen singt beziehungsweise haucht er sich über Akustikgitarren („Depression & Obsession“) und Pianos („Dead Inside“).
„17“ wirkt skizzenhaft. Kein Lied kratzt an der Drei-Minuten-Marke. Songs bestehen gefühlt aus einem Refrain, der zweimal wiederholt wird. Wer in musikalischen Schubladen denkt, wird Probleme haben. Alle anderen bekommen ein Album, das faszinierend und erdrückend zugleich ist. Einem Menschen dabei zuzuhören, wie er sich selbst kaputt macht, ist anstrengend. „I’m in pain, wanna put 10 shots in my brain“, wünscht sich XXXTentacion im Opener „Jocelyn Flores“. Auf 60 Minuten gestreckt, wäre “17” vermutlich unerträglich geworden.
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