Review: Seller & Petit – Zerrissene Flyer
Seller & Petit verteilen „Zerrissene Flyer“. Die Einen würden es Musik wie früher nennen, die Anderen bezeichnen es als „Boombap 2.0“.
Könnt ihr euch noch an die Hochzeit der Flyer erinnern? Überall lagen sie herum. Suchte man am Morgen nach dem Partyabend seine Taschen nach dem verschollenen Geldbeutel ab, hatte man erst einmal einen Stapel von ihnen in den Händen. In Zeiten der Facebook-Veranstaltungseinladungen neigt sich diese Ära dem Ende zu. „Zerrissene Flyer“ von Seller & Petit handelt zwar nur am Rande von diesem Umschwung, doch nostalgisch wird man nicht nur im Intro dieser 8-Track-EP.
Knochentrockene und samplebasierte Beats, fetzige Cuts und eine coole Attitüde, mit der man sich keine Freunde macht, ergeben ein Soundbild, das an die New Yorker Schule der Neunziger ebenso erinnert wie an Huss & Hodn oder die jungen MOR. Das bedeutet keinesfalls, dass wir es hier mit einem Rip-Off zu tun haben. Seller & Petit würzen all diese Komponenten mit einem Schuss jugendlicher Provinzsozialisation. Boombap 2.0 quasi. Eine herrliche Mischung, mit der die Musik von Mack10 auch auf der Landstraße Spaß und vor allem Sinn macht.
In Seller & Petits Welt sind kommerziell ausgerichtete Rapper noch die Feinde und hässliche Freundinnen Angriffsflächen. Dabei schreiben sie die Zeilen, wie es sonst keiner macht (aus „Meister am Mic“), besingen Geislingen an der Steige, die Stadt der verkifften, stieren Individuen (aus „BBB“) und gehen gegen weichgespülten Sound vor, der sich als Lady-Rap tarnt (aus „Schon Stier“). Stets politisch unkorrekt schütten die beiden Schwaben eine ordentliche Kelle Arroganz aus, die bis nach Göppingen herüberspritzt. Das Ganze aber nicht, weil sie die muskelbepackten Motherfucker vom Block sind, sondern weil sie einen schlichtweg cleveren – mit Eistee gedopten – Eindruck machen.
Als wirklich passioniertem HipHop-Hörer fällt es einem relativ schwer, „Zerrissene Flyer“ von Seller & Petit nicht zu mögen. Der Zug der Innovation hat zwar nicht am Bahnhof der beiden Rapper Halt gemacht, doch schlecht geht definitiv anders. Eine durchaus fesselnde Angelegenheit, die es auf dem Crew-Blog für umme gibt.
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