Shady Records: Ein Rückblick auf 15 Jahre Label-Geschichte
Mit 15 darf man noch nicht einmal Alkohol trinken. Ob es den jungen Marshall Mathers je davon abgehalten hätte? Eminems Label Shady Records feiert trotzdem Geburtstag und ich feiere mit.
1999 von Eminem und seinem Manager Paul Rosenberg gegründet, ist Shady Records bis heute die perfekte Mischung aus ein bisschen Vetternwirtschaft und sehr gutem A&R-Management. Bis zum heutigen Tag wurden gerade einmal 23 Alben, Sampler und EPs über das Label, das ausschließlich HipHop-Künstler veröffentlicht, herausgebracht. Diese scheinbar mageren 23 Releases wurden in Sachen Qualität jedoch ganz klar nach dem Motto „Klasse statt Masse“ ausgewählt. Nicht ohne Grund ist der Artist-Rooster des Labels inklusive früherer Künstler immer noch recht überschaubar. Zu den aktuellen Vertragsbesitzern zählen Slim Shadys Jugendclique D12, die Allstar-Truppe Slaughterhouse, Eminems Schützling Yelawolf, das Tag Team Bad Meets Evil sowie die Hausproduzenten Jeff Bass, Luis Resto und Alchemist. Zu Künstlern, die das Label im Laufe der 15 Jahre verließen, gehören lediglich Obie Trice, 50 Cent, Stat Quo, Cashis und Bobby Creekwater (bitte wer???). Sorgfalt und wohlüberlegte Entscheidungen statt Homie XY aus der Weedträger- in die ihn überfordernde Hauptrolle zu drängen, scheinen bei Shady Records zum Erfolgsmodell zu gehören.
Shady XV und der Rest ist Geschichte
Zum 15. Geburtstag gibt’s normalerweise nicht mal ein Gläschen Sekt – höchstens Robby Bubble. Eminem und seine Mannschaft legen mit dem Jubiläums-Sampler „Shady XV“, der vergangenen Oktober erschien, dennoch Spektakuläres auf der Tanzfläche der selbstorganisierten Geburtstagsparty hin. Zwei CDs randvoll mit exklusiven Beiträgen plus einer Auswahl der besten Songs aus anderthalb Jahrzehnten Shady Records. Neben der Greatest-Hits-Seite, die mit 15 zeitlosen Klassikern wie unter anderem 50 Cents „Wanksta“, D12s „Fight Music“ und Eminems „Lose Yourself“ aufwartet, wirkt die Scheibe mit den neuen Stücken – unabhängig von ihren Qualitäten – zwangsweise blass und belanglos. So spucken Slaughterhouse zwar auf „Y’all Ready Know“ herrlich trockene Boombap-Kost, der Labelboss zeigt im Intro, dass er auf dieses Schreiben und Rappen noch heißt ist und vertont anschließend mit seinem Homie Royce Da 5‘9 den Spruch „Was in Vegas passiert, bleibt in Vegas“, doch man muss nicht Tyler, The Creator sein, um zu merken, dass das alles nach drei Hördurchgängen schon wieder egal ist. Trotzdem grundsolide und in Kombination mit dem Best-Of-Teil eine wirklich runde Sache.
Doch wie fing es mit Shady Records vor 15 Jahren eigentlich an? Nach dem Erfolg von Eminems ersten Major-Album „The Slim Shady LP“ (1999) und dem Nachfolger „The Marshall Mathers LP“ (2000), die mit Unterstützung von Aftermath Records zu diesem Zeitpunkt bereits unter dem Shady-Records-Banner veröffentlicht wurden, nutzte er die neuen Möglichkeiten, um auch seinen Kumpels von D12 eine finanzielle Grundsicherung zu bieten. Statt sich auf Anzugträger mit AC/DC-Leidenschaft zu verlassen, gründete er gemeinsam mit seinem Manager Paul Rosenberg einfach ein eigenes Label und machte Jugendträume wahr. Denn im Juni 2001 erschien über Shady Records „Devil’s Night“ und brachte den sechs Rappern sowohl Platz 1 in den Charts als auch zwei Platinauszeichnungen. Und in diesem Erfolgstempo sollte die Arbeit von Shady Records fortan weitergehen. 2003 wurden „The Eminem Show“ und der „8 Mile“-Soundtrack in die Plattenläden gebracht und manifestierten den Status, den Eminem und seine Gefolgschaft Anfang der 2000er inne hatten: Ein weiteres Jahr mit zwei Nummer-1-Alben und unter ihren Anhängern ein Ruf wie der Papst im Vatikan. Die Shady-Familie gehörte zu den ultimativen Posterboys des auslaufenden MTViva-Zeitalters.
Ein halber Dollar und die Unendlichkeit
2003 ging es mit neuen Signings weiter. Darunter wohl der größte Künstler, den Eminem neben sich selbst auf Shady Records herausbrachte: 50 Cent. Dessen Album „Get Rich Or Die Tryin‘“ ist ein moderner Rap-Klassiker, der es sich ruhigen Gewissens neben Allzeitfavoriten à la „The Chronic“ oder „Illmatic“ gemütlich machen kann. Nicht ganz so erfolgreich, aber dennoch rentabel lief es 2003 mit Obie Trices Debüt „Cheers“. Zwei Karrierestarts, welche die großartige Arbeit unterstreichen, die die damals 12-köpfige Belegschaft von Shady Records leistete. Marc Labelle, damaliger A&R des Labels, beschrieb 2005 die Stärke der Firma in einem Interview mit HitQuarters: „We are a boutique label, but have all the outlets of a major with Interscope backing up our every move.“ Ich empfand Shady Records immer als einen Laden, der stets hochwertige und kredibile Musik veröffentlichte und deshalb mit Bravour den Spagat zwischen Chartspitze und HipHop-Kellerclub schaffte. Eben Musik, die irgendwie allen gefällt und trotzdem nicht eklig ist.
Ab 2004 wurden beinahe jedes Jahr zwei Alben veröffentlicht, die abgesehen von ein paar Ausnahmen immer dem Qualitätssiegel und Erfolgsanspruch des Labels entsprachen. Beinahe jeder Release steht in meinem Plattenregal und wird auch regelmäßig zum Rotieren gebracht. Denn Shady Records ist eine großartige Plattenfirma, auf die man sich ein Stück weit verlassen kann. Für 2015 sind bereits drei neue Alben angekündigt, die vielversprechender sind als ein stotternder Mensch. Yelawolf möchte mit „Love Story“ endlich seinen verdienten finanziellen Erfolg erlangen, Slaughterhouse werden mit „Glass House“ hoffentlich ihre Stellung als die unterschätzteste Supergroup der Szene verlassen und D12 kehren mit dem zweiten Teil ihres Klassikers „Devil’s Night“ zurück. Wo andere Rapper Labels gründen, sich übernehmen und im Streit alles hinschmeißen, hat Eminem mit Shady Records eines der coolsten HipHop-Labels aller Zeiten erfolgreich in die Pubertät gebracht. Herzlichen Glückwunsch!
Shady Records: Meine Top 5
- Eminem The Slim Shady LP
- 50 Cent Get Rich Or Die Tryin’
- Obie Trice Cheers
- V.A. 8 Mile
- D12 Devil’s Night
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