Stay Forever live: „Spielen ist keine Zeitverschwendung!“
„Zwei alte Männer unterhalten sich über alte Spiele“ und das am 23. September 2017 nicht nur in Form eines Podcasts sondern vor Live-Publikum. Gunnar Lott und Christian Schmidt machten auf ihrer „Stay Forever“-Tour Halt in Karlsruhe und brachten Anekdoten, Ratespiele und Pizza mit.
2011 erschien die erste Episode des Retrospiele-Podcasts Stay Forever. Gunnar Lott und Christian Schmidt unterhielten sich darin über Revolution Software im Allgemeinen und deren „Baphomets Fluch“-Reihe im Speziellen. Seitdem hat sich bei den ehemaligen Gamestar- und Gamepro-Redakteuren viel getan. Stand Oktober 2017 haben sie 70 Episoden veröffentlicht, in denen sie über Titel wie „Lemmings“, „Dungeon Keeper“, „Baldur’s Gate“ oder „Die Siedler“ sprachen. Eine erfolgreiche Patreon-Kampagne unterstrich die gute Resonanz und bescherte ihnen nach wenigen Wochen einen Geldregen von mehr als 10.000 Dollar.
Im „home turf“ vor 100 Nerds
Bei so viel Wertschätzung wird es Zeit, die Anhängerschaft persönlich kennenzulernen. Da passt es perfekt, dass Podcasts mittlerweile zu Rockshows geworden sind. Radio Nukular, Happy Day, NoSleep, Anytime Latenight – sie alle haben erfolgreich vor Live-Publikum gepodcastet. Stay Forever reihte sich in die Riege der erfolgreichen Kollegen ein und tourte einmal quer durch Deutschland. Am 23. September machte das Duo in Gunnars „home turf“ Karlsruhe halt, wo sie vor rund 100 Nerds eine Anekdote nach der anderen vom Spielestapel ließen. Der Slogan des Abends lautete „Wir hatten es schwer“. Und dieser durfte nicht allzu ernst genommen werden.
Denn die Geschichten aus ihrer jahrzehntelangen Zeit als Spieler und Spieletester brachten das ausverkaufte Perfekt Futur, wo auch das Büro von Stay Forever beheimatet ist, zum Lachen, Nachdenken und Staunen. Christian berichtete vom Haus seiner Mutter, das komplett von seiner Spielesammlung eingenommen wurde. Aus allen Schubladen quellen die Packungen hervor, als hätte die arme Frau Schmidt eine Tribbles-Plage am Hals. Gunnar hielt dagegen und berichtete von seiner spielfreudigen Frau, der der Spaß mit „Micro Machines“ vergangen ist. Das Tutorial des Rennspiels verhöhnte sie aufgrund ihrer Unfähigkeit mit dem Gameplay umzugehen, bis sie keine Lust mehr hatte.
Pizza statt Schatz im Silbersee
Nicht nur die persönlichen Anekdoten fanden ihren Platz im zweistündigen Programm. Auch über die Verfehlungen anderer wurde sich köstlich amüsiert. So musste nicht nur das Spiel, sondern auch das dazugehörige Booklet zur Romanversoftung „Der Schatz im Silbersee“ Spott und Häme einstecken: Haarsträubende Formulierungen und Geschwafel über unnütze Spielelemente, die im Handbuch des vor 24 Jahren erschienenen Titels abgedruckt wurden, machten es möglich. Da kam die vom Stay-Forever-Sponsor bereitgestellte Pizza gerade recht. Freundschaftlich teilte sich das Publikum das belegte Fladenbrot und vergaß schnell diesen Stinkstiefel der deutschen Videospielgeschichte.
Die Stärkung war nötig, denn im letzten Drittel mussten die Gäste selber ran. Im Gamestar-Einstellungsquiz hat das Publikum – auf der Bühne vertreten durch Zuschauer Bene – Fragen zum Thema Videospiele beantworten müssen. Wie viele unterschiedliche Früchte gibt es in „Candy Crush Saga“? Zu welchen Sportarten hat EA noch keine Spiele gemacht? Wie viele Titel hat Sierra On-line mit „Quest“ im Namen veröffentlicht? Mit sechs richtigen Antworten lag Karlsruhe deutlich vor München mit drei, aber auch hinter Köln und Berlin mit jeweils sieben korrekten. Welche Stadt bei der finalen Schätzfrage am nächsten lag, verraten Gunnar und Christian im nächsten Podcast.
Pac-Man wie es heute aussehen würde
Die Herren von Stay Forever haben sich große Mühe gegeben, interessante Geschichten zu erzählen, aber auch das Publikum einzubeziehen. Für kleine Theaterstücke waren sie sich ebenfalls nicht zu schade. So spielten sie nicht nur ein Text-Adventure nach, sie versetzten sich auch in die Rollen der Entwickler und Publisher, die in den Achtziger Jahren den „Pac-Man“-Deal abgeschlossen haben. In diesem Show-Segment stellten Lott und Schmidt sogar dar, wie der Pitch in den Neunzigern, Zweitausendern und heute ausgesehen hätte. Comedy vom Feinsten. Dennoch schaffte Stay Forever den Spagat zwischen Klamauk und Ernsthaftigkeit.
“Lasst euch von niemanden einreden, dass spielen eine Zeitverschwendung ist“, machte Christian am Ende noch einmal klar. Dafür hagelte es frenetischen Applaus. Denn schon damals – als er mit seinem Bruder die gemeinsam in „Sim City“ gebaute Stadt ausdruckte – erkannte er, dass man mit Spielen etwas erschaffen kann. Den Menschen diese Ansicht zu vermitteln, erachten die beiden Podcaster als einen Teil ihres Werkes. Zumindest die zweieinhalb „Anhängsel“, die vor dieser Veranstaltung noch keine Folge von Stay Forever gehört haben und sich während der Show dafür outen mussten, sollte Schmidt mit dieser Rede überzeugt haben.
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