Review: Umweg nach Hause

Netflix hat es schon wieder getan. Statt nur auf hochklassige Serien und Comedy-Specials zu bauen, nehmen sie stetig einen vielversprechenden Exklusivfilm nach dem anderen in ihr Angebot auf. Die Romanverfilmung „Umweg nach Hause“ mit Paul Rudd und Selena Gomez ist der nächste Streich des Streaming-Dienstes.

 

„Umweg nach Hause“ basiert auf dem erfolgreichen Roman von Jonathan Evison und erschien im Original unter dem Titel „The Revised Fundamentals of Caregiving“. Hauptfigur Ben Benjamin befindet sich in einer schwierigen Phase seines Lebens. Beruflich bewegt sich der Schriftsteller auf eine Sackgasse zu und auch privat sieht es nicht besser aus, da sich seine Frau von ihm scheiden lassen möchte. Ein Ausbildungskurs zum Thema Pflege und Seelsorge und die anschließende Möglichkeit zu einem ersten Job im neuen Berufsfeld kommen ihm da gerade recht. Er kümmert sich fortan um den 18-jährigen Trevor, der unter Muskeldystrophie Duchenne leidet und aufgrund dessen auf Rollstuhl und Hilfe in den alltäglichsten Dingen angewiesen ist. Nach anfänglichen Schwierigkeiten, die in Trevors erbarmungslosem Humor begründet sind, kommen sich die beiden schnell näher und werden letztendlich sogar Freunde. Schon bald beschließen sie, einen Road-Trip durch die USA zu starten, damit Trevor all die Sehenswürdigkeiten, die er jeden Tag im Fernsehen bestaunt, endlich wahrhaftig zu sehen bekommt. Auf ihrer Reise lernen sie die Tramperin Dot kennen, die aus dem Vagabunden-Duo ein Trio macht.

 

93 Minuten sehen wir den drei Figuren dabei zu, wie sie erst vor ihren Problemen flüchten, dann aber doch den Mut fassen, sich ihren Ängsten zu stellen. Erfolgreich ins Ziel getragen wird Rob Burnetts erst zweite Regiearbeit nach dem 2012 erschienen „We Made This Movie“ von einer hochkarätigen Schauspielerriege. „Ant-Man“ Paul Rudd spielt den herzlichen Trauerkloß Ben, Craig Roberts den hochintelligenten Witzbold Trevor und Selena Gomez die taffe Ausreißerin Dot. Alle drei verstehen, was ihre jeweilige Figur sowohl aus- als auch durchmacht, weshalb sie sich gegenseitig dermaßen gut ergänzen, dass jeder Dialog – ob im Auto, Hotelzimmer oder vor der größten Kuh der Welt – mal herrlich komisch, mal tieftraurig oder einfach nur unterhaltsam schön ist. Dabei macht der Film nicht den Fehler, auf Kosten des Humors nur handzahme Töne anzustimmen. Die Unterhaltungen sind frech, teilweise sogar richtig derbe, was die Glaubwürdigkeit der Protagonisten und die Qualen ihrer Lebenssituationen noch einmal unterstreicht.

 

„Die ersten 20 Filmminuten reichen aus, um den letzten Akt bis ins kleinste Detail vorherzusagen“, schrieb Sidney Schering für quotenmeter.de und äußert sich damit sehr unfair über einen Plot, dessen Stärke nicht im Finale, sondern in der Reise dorthin liegt. Ohne spoilern zu wollen: Besagter letzter Akt ist sowieso relativ unspektakulär und vielleicht gerade deshalb so großartig. Hier einen Plot durchschauen zu wollen und sich dann zu ärgern, dass der Film nicht überrascht, ist verschenkte Liebesmüh. Man kann es „Umweg nach Hause“ vorwerfen aber genauso gut hoch anrechnen: Der Film ist ein Feelgood-Movie par excellence und plätschert dahin wie ein Bergbächle in schönster Sommerkulisse. Die anfänglich gräulichen Bilder öffnen sich im Laufe des Films, bedrückende Szenen in geschlossenen Räumen weichen Aufnahmen der weitläufigen Straßen der USA. Das Road-Movie nimmt an Fahrt auf und wenn der Abspann über den Bildschirm läuft realisiert man, dass das definitiv kein klassisches Road-Movie war.

 

„Umweg nach Hause“ verliert sich nicht in langatmigen Szenen, die man von einem Film dieses Genres erwartet. Statt zum Ende hin eine hochemotionale Begrüßungssequenz zu inszenieren, darf sich Trevors Mutter in einer fünf-Sekunden-Szene kurz und nachvollziehbar freuen, bevor auch Ben die Zeit von zwei Wimpernschlägen bekommt, um die Geschichte mit seiner Frau zu Ende zu bringen. Regisseur Rob Burnett und Cutter Christopher Passig haben Kurzweiligkeit zum Motto ihres Produktionsprozesses gemacht. Den Zuschauer bloß nicht mit unangenehm langen Standardeinstellungen quälen, haben sich die Macher wohl vorher geschworen. Diesen Film trotzdem nicht zu mögen, ist völlig in Ordnung, doch ihn dafür zu kritisieren, dass er klassisches Wohlfühlkino ist, dagegen nicht. Dafür steht vom wunderschönen Singer-Songwriter-Soundtrack bis zur Schauspielleistung deutlich mehr auf der Haben- als der Sollseite. Und überhaupt: Es ist immer besser, wenn Netflix sieben Millionen Dollar in die Vertriebsrechte solcher Filme statt in eine Handvoll mittelmäßiger bis grauenhafter Sandler-Werke steckt.

 

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