Warum hat deutscher Rap ein Problem mit (guten) Musikvideos?
Noch eine Sportkarosse in der Tiefgarage und wir drehen durch. Warum deutsche Rap-Videos unbedingt besser werden müssen.
Mit dem Aufstieg des Internets erlebte das Format Musikvideo einen Siegeszug, den es so noch nicht gab. Vor zwanzig Jahren waren die kurzen Clips dank Viva, MTV und Co. zwar allgegenwärtig, doch nicht die Qualität oder der Nischengeschmack entschieden darüber, was lief. Für unbekanntere Künstler oder Musiker, die zu einem kleinen Indy-Label gehörten, war es fast unmöglich, in die Rotation und somit an eine größere Zuschauerschaft zu gelangen.
Das hat sich geändert – auch weil die technischen Möglichkeiten andere sind. Niemand muss mehr für eine Kamera Kleinwagenpreise bezahlen oder sich in komplizierte Software einarbeiten. Ein Musikvideo zu produzieren und es anschließend auf YouTube oder eine andere Streaming-Plattform zu stellen, ist so einfach wie ein Haus-Maus-Reim. Problem: Das Netz wird mit langweiligen Musikvideos überschwemmt.
Gerade deutschsprachiger Rap ist fleißig dabei, die Grenzen des zeitlich Konsumierbaren zu sprengen. Ein Großteil der veröffentlichten Artikel auf Genre-Plattformen wie rap.de besteht aus Meldungen über neue Musikvideos (am 14. Mai 2018 waren es beispielsweise acht von elf Beiträgen). Wie viele der angebotenen Clips sehenswert sind, muss im Zweifel der Zuschauer entscheiden. Denn weder eine Vorauswahl wird getroffen, noch im dazugehörigen Text eine Bewertung vorgenommen.
Dabei wäre das bei der unüberschaubaren Menge an Musikvideos deutschsprachiger Rapper wünschenswert. Die Beginner erklärten in ihrer Doku „Die derbste Band der Welt“, dass es leicht wäre, eine gute Rap-Platte zu machen. Ein sehr gutes Rap-Album wäre dagegen die Meisterleistung. Bei Musikvideos verhält es sich ähnlich. Gut wird zum Durchschnitt und bei der vorherrschenden Dauerberieselung langweilig.
Erstaunlich viele Videos greifen auf die immer gleichen Bilder und Kulissen zurück: Sportkarosse in einer Tiefgarage, gefährlich anmutende Truppe vor einem Hochhaus oder die gleichen Posen wie in Deutschland nur während des USA-, Südsee- oder Japan-Urlaubs. Zu wenige Künstler verstehen das Musikvideo als künstlerische Fortsetzung des Songs. Damit verschenken sie Potenzial, was der Hörer mit seiner Lebenszeit ausbaden muss.
Dass das Problem nicht nur in Deutschland existiert, zeigt ein Blick über den großen Teich. Auch in den USA werden die immer gleichen visuellen Eindrücke heruntergeleiert. Doch wie es Childish Gambino mit „This Is America“ oder Young Thug mit „Wyclef Jean“ bewiesen haben, schaffen auch Rap-Videos Außergewöhnliches. Und auch in Deutschland gibt es diese Beispiele. Es könnten nur gerne ein paar mehr sein.
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