Yangon Calling – Punk in Myanmar
Punk wie wir ihn kennen zeichnet sich durch eine nonkonformistische Einstellung gegenüber allen Autoritäten aus, die zwischen Lehrerpult und Chefsessel aus der Hecke springen. Doch was in Deutschland selbst die Omi aus dem 300-Seelen-Dorf in Brandenburg nicht mehr erschreckt, ist in einem südostasischen Land, das unter der Knute einer Militärregierung stand, wie die Landung der Marsianer. Die beiden Filmemacher Alexander Dluzak und Carsten Piefke reisten für sechs Wochen nach Myanmar, das bis 1989 noch Birma hieß, und brachten interessante Bilder über eine Szene mit, die für Menschenrechte und Freiheit kämpft. Nicht, weil es zum guten Ton gehört, sondern weil es die Menschen vor Ort tatsächlich direkt betrifft: Yangon Calling – Punk in Myanmar.
Die Doku begleitet ausgewählte Protagonisten der geschätzt 200 Mann/Frau starken Punker-Szene in Myanmars größter Stadt Yangon durch ihren Alltag. Wir sind dabei, wenn die Jungs und Mädchen hinter verschlossenen Türen proben, zum Frisör und Tätowierer gehen, ihren Eltern einen Besuch abstatten oder ganz gemütlich ein Eis essen. Der Film gipfelt in einem Musikfestival, das in einem stillgelegten Stripclub stattfindet. Dazwischen erzählen die Punks von ihrer schwierigen Situation in einer Republik, die noch bis in das vergangene Jahr unter Militärherrschaft stand und ihrer Liebe zu einer Subkultur, die in Myanmar durch ein Foto der Sex Pistols zum Leben erweckt wurde.
Der Film lässt Menschen zu Wort kommen, die trotz aller Risiken einen Weg eingeschlagen haben, der ihnen im schlimmsten Falle alles nehmen könnte. Leute wie Scum, der „dank“ seiner Ansichten sechs Jahre im Gefängnis saß. Oder Darko, der mit seiner Band Side Effect Konzerte veranstaltet und der Szene somit eine Plattform gibt. Mit einem Bein im Proberaum, mit dem anderen im Knast. Die Dokumentation entstand in einer Zeit, in der von den positiven Veränderungen, die am 4. Februar 2011 durch die Einsetzung eines zivilen Präsidenten entstanden, noch nichts zu spüren war. „Die Punks stehen dem Wandel in Myanmar wie die meisten Burmesen sehr kritisch gegenüber. Was sie kritisieren, ist, dass die Abgeordneten, die heute im Parlament sitzen, fast alle Ex-Militärs sind, die nur die Uniform gegen einen Anzug getauscht haben“, erklärte Alexander Dluzak dem Rolling Stone.
Mit seinen 43 Minuten ist „Yangon Calling“ erfrischend kurzweilig ausgefallen. Die Protagonisten erzählen erstaunlich frei von der Leber weg, was sie stört, ängstigt oder ihnen Freude bereitet. Sie genießen das Interesse an ihrer Person sichtlich. Songtexte von Bands wie Rebell Riot oder No U-Turn, die in der Regel in der Muttersprache verfasst wurden, werden in Auszügen übersetzt und zeigen, dass die Damen und Herren in Yangon nicht weit von dem entfernt sind, was in Berlin oder London geschrien und gesungen wird. Nur schwingt bei den Myanmaren immer das gewisse Fünkchen Glaubhaftigkeit mehr mit, auf das sie sicherlich gerne verzichten würden, könnten sie sich von den Ketten ihrer Unterdrückung befreien.
„Yangon Calling“ ist ein erneuter Beweis dafür, was Musik mit Menschen machen kann. Das Musik vielmehr ist, als eben nur Musik. Über diesen Weg eine Stimme zu erhalten, sich Luft zu machen oder einfach nur eine gute Zeit zu haben, egal, ob man nun im CBGB in New York oder beim Freedamn Festival in einer dreckigen Absteige in Yangon steht. Alexander Dluzak und Carsten Piefke ist ein außergewöhnlicher Einblick in eine Szene gelungen, die trotz des geringen Informationsflusses, der durch die Restriktionen des Landes bedingt ist, hervorragend funktioniert.
„Yangon Calling – Punk in Myanmar“ kann man sich momentan noch kostenlos in der Mediathek von zdf.kultur anschauen.
yeah! schon viel davon gehört. wird heute abend beim bügeln geschaut.
und am donnerstag steil gehen so wie bergziegen!